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Viele Menschen sprechen im Zusammenhang mit dem Asperger-Syndrom immer wieder von einer milden Form des Autismus.
Aber was wollen sie damit sagen? Was ist ein milder Autismus? Gibt es ihn überhaupt, den milden Autismus? Um zu definieren, was mit einer milden Form von Autismus gemeint sein könnte, ist es erst einmal notwendig, sich dem Wort „mild“ zu widmen und seiner möglichen Bedeutung.
Im Duden habe ich hierzu folgende Begriffserklärungen gefunden:
1. gütig, nicht streng
2. Verständnis für die Schwächen des Gegenübers zeigend
3. freundlich im Wesen oder im Benehmen und frei von allem Schroffen, Verletzenden
4. keine extremen Temperaturen aufweisend
5. nicht grell und kontrastreich; gedämpft, sanft
6. nicht stark gewürzt, nicht scharf; nicht sehr kräftig oder ausgeprägt im Geschmack
7. frei von Reizstoffen
Mir wird schnell klar, dass da etwas nicht stimmen kann, wenn Menschen im Zusammenhang mit Autismus das Wort mild gebrauchen.
Oder können Sie sich vorstellen, dass Asperger-Syndrom als eine Form von Autismus zu beschreiben, welche frei von Reizstoffen ist? Ich nicht, da ich im Alltag ständig einem Zuviel an Reizen ausgesetzt bin. Wer permanent von Reizen überflutet wird, kann keine reizarme oder gar reizfreie Form von Autismus haben. Punkt 7 als mögliche Definition scheidet also aus.
Gilt das Asperger-Syndrom eventuell aus dem Grund bei manchen Menschen als milde Form des Autismus, weil die Symptome – wie in Punkt 6 beschrieben, nicht sehr ausgeprägt sind? Meiner Meinung nach trifft auch das nicht zu. Die Ausprägung einzelner Symptome ist personenabhängig und richtet sich nicht nach der gestellten Diagnose. Deshalb spricht man heute auch von einer Autismusspektrum-Störung – weil Abgrenzungen der einzelnen Formen des Autismus schwierig und die Übergänge häufig fließend sind.
Jede(r) AutistIn ist anders. So individuell verschieden ist auch die Ausprägung des Autismus. Da gibt es kein Mehr oder Weniger, sondern nur ein Verschieden, ein Anders.
Gibt es dann möglicherweise eine Form von Autismus, die Punkt 5 entspricht, also eine die gedämpft ist und nicht grell und kontrastreich, also weniger auffällig?
Auch hier denke ich, dass man den Grad der Auffälligkeit nicht an einer Diagnose festmachen kann, sondern dass äußere Faktoren wie das soziale Umfeld eine große Rolle spielen und die Sicht des Einzelnen auf die verschiedenen Merkmale des Autismus. Und zuletzt kommt es ja auch auf das eigene Empfinden an, auf die Innensicht. Und ich erlebe meinen Autismus nicht immer als sanft und gedämpft.
Vor allen Dingen dann nicht, wenn er mich in einer Situation ohne Vorwarnung mit aller Heftigkeit überrennt.
Ist das Asperger-Syndrom eine milde Form von Autismus, weil es keine Extreme aufweist? Weil Asperger-AutistInnen zum Beispiel weder extrem lärmempfindlich sind noch extrem lärmunempfindlich, sondern genau in der Mitte liegen, im wohltemperierten Bereich, um bei dem Vergleich mit dem Wetter zu bleiben, der in Punkt 4 als mögliche Definition von mild angesprochen wird.
Nein, auch das kann es nicht sein, weil das individuell ganz verschieden ist und genau wie Punkt 5 und 6 nicht im Zusammenhang mit der gestellten Form der Diagnose steht. Wenn es eine Skala gäbe von 1 nicht vorhanden bis 10 extrem vorhanden, dann würde es pro Person für jedes Symptom eine unterschiedliche Zuordnung geben. Denn es gibt keinen autistischen Menschen, der bei allen Symptomen in den Extrembereichen 1 oder 10 liegt.
Ersteres würde ja dann sogar eine Autismusdiagnose ausschließen. Aber es gäbe auf jeden Fall Asperger-AutistInnen, die in einigen Bereichen eine 10 angekreuzt hätten und damit nicht grundsätzlich im mittleren, sondern im Extrembereich lägen. Hier bei der Beurteilung einen errechneten Mittelwert zu Grunde zu legen, würde das Erscheinungsbild des Autismus verfälschen und dem betreffenden Menschen bei der Inanspruchnahme von Hilfsangeboten nicht gerecht werden.
Somit fällt auch dieser Punkt zur Erläuterung, was eine milde Form von Autismus sein könnte, weg. Ebenso wie Punkt 3.
Ich stelle mir gerade vor, was die LehrerInnen meines Sohnes dazu sagen würden, wenn ich ihnen morgen erklärte, dass sich der Autismus meines Sohnes dadurch kennzeichnet, dass er freundlich im Benehmen und frei von allem Schroffen und Verletzendem ist. Nicht, dass mein Sohn grundsätzlich nicht freundlich in seinem Wesen ist, aber er reagiert in Situationen, in denen er überfordert ist, aggressiv, also auch schroff und verletzend – zumindest verbal. Auch oder grade in der Schule. Und mein Sohn ist Asperger-Autist.
Zudem sagt man autistischen Menschen nach, dass sie nach Außen hin oft unfreundlich und schroff wirken und ihre Worte verletzend sein können. Diese Annahme resultiert sowohl aus der Ehrlichkeit ihrer Sprache, die nichts verschönt oder höflich umschreibt, als auch aus einer fehlenden Mimik in der Kommunikation und anderen Faktoren, die ich jetzt nicht aufzählen möchte, weil sie an dieser Stelle nicht relevant sind. Das aus der Außensicht unfreundlich und schroff erscheinende Verhalten gilt im Übrigen für alle Formen des Autismus, also auch für das Asperger-Syndrom.
Kommen wir zu Punkt 2 der Definition aus dem Duden.
Zeichnet sich das Asperger-Syndrom am Ende dadurch aus, dass Menschen mit dieser Diagnose ein größeres Verständnis für die Schwäche ihres Gegenübers haben als andere AutistInnen? Dass sie ihre Mitmenschen auf Grund einer Schwäche oder eines Fehlverhaltens nicht so schnell verurteilen oder bestrafen? Lässt sich eine milde Form von Autismus auf diese Weise begründen? Ich glaube nicht. Warum? Mir fällt es häufig schon schwer, die Schwächen anderer Menschen überhaupt zu erkennen. Wie soll ich dann ein Verständnis entwickeln für etwas, das für mich gar nicht sichtbar ist? Viele Probleme im Alltag resultieren doch erst aus einem Nichterkennen von Schwächen oder dem Missverstehen des Anderen.
Aber was bleibt noch, wenn alle bisherigen Punkte als Definition für die Milde in Bezug auf das Asperger-Syndrom nicht in Frage kommen?
Punkt 1 – ein gütiger und nicht strenger Autismus. Nicht streng wem gegenüber, dem autistischen Menschen selber oder seinem sozialen Umfeld?
Und gütig? Das würde bedeuten, dass das Asperger-Syndrom eine entgegenkommende und wohlwollende Form von Autismus ist. Gütig bedeutet auch selbstlos. Kann ein Autismus selbstlos sein, wenn er von seinem aus dem Griechischen stammenden, wörtlichen Ursprung her unter anderem als Selbstbezogenheit definiert wird? Wohl kaum. Dann wäre das Asperger-Syndrom eine selbstlose Form der Selbstbezogenheit. Paradox.
Der Duden hat mir bei der Suche nach der milden Form des Autismus nicht weiterhelfen können. Daher richte ich die Frage nun an die Menschen, die im Zusammenhang mit dem Asperger-Syndrom immer wieder von einer milden Form des Autismus sprechen oder schreiben. Wenn ihr diesen Ausdruck immer wieder verwendet, dann müsst ihr auch erklären können, was ihr darunter versteht.
Ich bin gespannt.
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Im Blog „Quergedachtes“ gibt es nun auch einen sehr guten Artikel zur Frage, ob es ihn gibt, den milden Autismus.
Einmal Autismus bitte! Mild oder schön scharf?
Stefanie Prangenberg sagte:
Ich habe heute ihren Beitrag von einer anderen Mutter geschickt bekommen. Mein Sohn ist Asperger Autist, meine Tochter scheint diese Diagnose auch zu bekommen, obwohl ich persönlich der Ansicht bin, sie ist NUR schüchtern und zurückhaltend. Im Kindergarten meinten sie, sie leidet unter einen sehr milden Form des Autismus…was für mich genauso ein Unsinn ist, wie sie es oben beschreiben. Es gibt keinen milden Autismus. Ich werde meine Tochter diagnostizieren lassen, jedoch denke ich, dass sie keinen Autismus hat…einfach nur ein wenig schüchtern ist…wir werden sehen….glg grüsse und danke für diesen tollen Beitrag
Kiefner Sabine sagte:
Im Blog „Quergedachtes“ gibt es nun auch einen sehr guten Artikel zur Frage, ob es eine milde Form des Autismus gibt.
http://quergedachtes.wordpress.com/2013/02/03/einmal-autismus-bitte-mild-oder-schon-scharf/
Pingback: Einmal Autismus bitte! Mild oder schön scharf? | Quergedachtes
Reinhard Rudolph sagte:
Hallo Sabine,
Teilweise stimme ich dem Kommentar von „me“ zu. Das „mild“ ist im medizinisch-heilpädagogischen Sinne gemeint. Im anglo-amerikanischen wird „mild autism“ so verwendet, übersetzt man das engliche „mild“ dann mit dem deutschen „mild“, entstehen leicht Missverständnisse. Und im Vergleich zu schwer beeinträchtigten Autisten mit Intelligenzminderung, Epilepsien und selbstverletzendem Verhalten ist das Asperger-Syndrom eine leichte Form des Autismus, im Vergleich zu den meisten neurotypischen Menschen ist AS/HFA natürlich nicht „mild“, sondern sowohl eine Behinderung als auch eine „andere Idendität“. Inwieweit eher der erste oder der zweite Aspekt zutrifft, ist bei jedem Autisten anders und auch nicht zeitstabil!
Ich finde den Artikel aber trotzdem nicht „blödsinnig“ oder lächerlich. Mit den Duden-Definitionen von „mild“ sprachlich zu „spielen“ finde ich sehr sehr kreativ, um auf genau die Punkte hinzuweisen, die dir wichtig sind. Das hat nichts damit zu tun, sich als „besonders betroffen“ darzustellen.
Kiefner Sabine sagte:
Danke dir, Reinhard. Genau darum ging es mir. Sprachliches Missverstehen an einem Wort zu demonstrieren. Oft wird mit dem Ausdruck „milde Form“ impliziert, dass doch alles nicht so schlimm ist und man sich bloß nicht so anstellen soll. Weil man sich lächerlich macht, wenn man sich nicht nur mildformig autistisch fühlt. Mich hat dieser Kommentar sehr verwirrt. Ich würde nie jemand auslachen, wenn er mir erzählt, dass er sich in manchen Bereichen durch seinen Autismus sehr behindert oder beeinträchtigt fühlt.
André Wolff sagte:
Moin, auch wieder ein interessantes Thema und eine interessante Herangehensweise.
Für mich ist die Frage gar keine Frage, sondern „klar“. „mild“ heißt hier „abgeschwächt“, so wie im alltäglichen Sprachgebrauch genutzt. Ganz böse gesagt: Kann ja nicht so wild sein, ihr seid ja gar nicht Rain Man.
Bitte deutlich verstehen: das ist nicht meine Absicht, sondern so verstehe ich die Nutzung des Wortes „mild“ in dem Zusammenhang.
Eigentlich ist das die konsequente Fortsetzung der Diskussion über Abschwächung und nicht-ernst-nehmen.
Kiefner Sabine sagte:
Danke, Andre für deinen Eindruck. Ich sehe das auch so, dass das Asperger-Syndrom als milde Form von Autismus beschrieben wird, weil damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass das ja alles halb so schlimm ist. Mild eben. So wie ein milder Kaffee, der gut verträglich ist und keine Probleme verursacht. Und wenn man als Asperger-AutistIn Probleme auf Grund des Autismus hat, wird man dann schmell nicht ernst genommen oder sogar belächelt. Ist doch alles nur mild.
mo mour sagte:
Liebe Sabine Kiefner,
ich mag Ihren Artikel sehr, weil er glasklar analysiert und überzeugende Argumente liefert gegen den formelhaften Gebrauch des Wortes „mild“ in einer übertragenen Bedeutung im Zusammenhang mit Autismus. Es ist so wichtig, klar zu sein in der Sprache und Klischees immer wieder zu hinterfragen.
Sie stoßen damit eine weitere wichtige Diskussion an. Danke sehr!
Bei mir wurde die Asperger-Diagnose wieder zurückgenommen, und ich habe jetzt „nur“ noch autistische Züge ohne Krankheitswert. Ich bin also quasi ‚leichtbehindert‘ und habe keinen Anspruch auf einen Ausweis. Aber „milde“ würde ich meine autistischen Phänomene keineswegs nennen. Das ist oft heftig, und es ist Arbeit, damit umgehen zu lernen in einer Weise, die mich nicht selbst noch mehr verletzt.
Hier habe ich darüber geschrieben:
Büro für besondere Maßnahmen – Richtigstellung
Kiefner Sabine sagte:
Ich bin der Meinung, dass man nicht pauschalisieren darf, sondern jede(n) AutistIn individuell betrachten und genau zuhören muss, wie sie/er das autistische Sein empfindet.
Jede(r) AutistIn ist anders. So individuell verschieden ist auch die Ausprägung des Autismus. Da gibt es kein Mehr oder Weniger, sondern nur ein Verschieden, ein Anders. So habe ich es in meinem Artikel formuliert.
„Autistische Züge ohne Krankheitswert“ ist ja auch eine Wischi-Waschi-Formulierung, über die ich nur mit dem Kopf schütteln kann. Ich werde mir deinen Blogbeitrag dazu morgen in Ruhe durchlesen. Danke für den Link.
Hesting sagte:
„Herzlichen Glückwunsch, Sie sind geheilt“?
Was es nicht alles gibt!
Lizzy sagte:
Sich 50 Jahre irgendwie durchwurschteln, nicht ohne sich immer wieder die Frage zu stellen, warum bin ich nicht so wie die anderen, immer wieder die Hoffnung zu haben, wenn ich es versuche, so zu machen wie die, dann sollte ich doch bald auch so werden, und dann erkennen zu müssen, nein, es verändert sich nichts, auch wenn du alles so versuchst zu machen wie die anderen.. Du bist auch mit 50 immer noch genau so wie als Kind, als du dich immer danach gesehnt hast, endlich erwachsen zu werden, und dann endlich so wie die anderen…Scheinbar bist du einfach nicht so wie die anderen und wirst es auch nie werden. Seit einigen Jahren hat mein Sohn die Diagnose Asperger, wovon ich vorher einfach nie gehört hatte. Seit dieser Zeit ist mir einiges klar geworden.
Mir scheint die milde Form von Autismus vielleicht diese zu sein. Sie fiel und fällt nie wirklich auf, außer dass man selbst und andere denken, irgendwas ist anders.
Spirit of the Night sagte:
Du sprichst mir aus der Seele mit Deinem Kommentar… auch ich fühle mich heute immer noch wie damals als Kind und ärgere mich mit meinen bereits 50 Jahren immer noch über die „Erwachsenen“, denen ich mich nicht zugehörig fühle – im Gegenteil, mich ihnen eher ausgeliefert fühle. Ich will die Welt mit meinen eigenen Augen SO sehen dürfen, ohne dass mir jemand sagt, es sei „falsch“ – ich will so akzeptiert werden, wie ich bin – dabei tue ich niemandem etwas. Da dies aber leider nicht möglich ist, gehe ich den Menschen aus dem Weg, wo es nur geht. Ich habe zwar meinen Job und zwei Freunde/Innen (beide selbst Asperger) und arbeite, bin aber bereits nach 5 Stunden total fertig und brauche Rückzug, was von den „Normalen“ kaum jemand versteht. Ich will auch keine „Therapien“, um mit meiner Umwelt besser klarzukommen, ich will nur eines: In Ruhe gelassen werden und nach meinem Rhythmus leben, in meiner „milden“ Form. Am wohlsten fühle ich mich, wenn ich mit mp3er und Fleet Foxes in den Ohren und meiner Kamera vor dem Auge in der Botanik unterwegs bin, und nichts und niemand an mich kommt, keine Gesprächsfetzen oder Leute, die sich hinter einem vorbeischieben, weil sie unbedingt jetzt DEN Weg nehmen müssen, wo Du gerade stehst und Dir was anschaust… Ja, man wurschtelt sich so durch und ist nicht so wie wie anderen, inzwischen will man, zumindest ich, es auch gar nicht mehr sein. Am wohlsten fühle ich mich immer, wenn ich mich alleine fühle – und weiß.
Regine Winkelmann sagte:
Das scheint ein weitere typisches Merkmal zu sein. Sich nicht erwachsen, oder den Erwachsenen nicht zugehörig fühlen. Als Kind war ich der Meinung ich bin zu alt in meinem Denken und unterschied mich sehr von meinen gleichaltrigen Mitmenschen. Heute ist es nicht besser. Ich passe wohl niemals wirklich in irgendeine Gruppe Mitmensch hinein.
Ist es unangemssen mit 49 Jahren vor Freude zu hüpfen oder mit Schneebällen zu werfen, wenn kein Kind dabei ist, was dieses „kindische“ Verhalten rechtfertigt?
Ist es andererseits beschämend in meinem Alter viele Alltagsdinge, nicht alleine bewältigen zu können, obwohl man kognitiv dazu in der Lage wäre?
Je älter meine gleichaltrigen Mitmenschen um mich herum wurden, desto weniger gleich fühlte ich mich ihnen gegenüber. Ich stehe nach wie vor diesem Phänomen mit vielen Fragen gegenüber. Würde gerne wissen, warum das so ist.
Regine Winkelmann sagte:
Ich glaube, die Menschen benutzen das Wort, um diese/unsere“krankheit“ unter der wir „leiden“ in Ausdünnungsgraden abzustufen. Sie sagen, es sei eine milde Form von Autismus, weil wir doch überraschend viel können, überraschend oft empatische Anzeichen haben, nicht konstant und täglich funktionslos sind, usw. Entsprechend ihres belegten und klischeehaften Begriffs von Autisten, sind sie überrascht, dass wir nicht alle Personen sind, die dumpf und vor sich hin schaukelnd , sabbernd in einer Ecke sitzen.
Darum mild.
Eine milde Krankheit ist kein Raubtier, sondern ein Haustier, mit dem man leben kann.
Mein Autismus ist weder eine Krankheit noch mild.
Er ist das, was mich so sein lässt wie ich bin.
Es gibt viele, manchmal zu viele Schwierigkeiten, die wie ich seit der Diagnose erfahren habe, auf den Autismus zurückzuführen sind. Mild ist das ganz und gar nicht.
Ich weiß auch nicht ob es eine milde Form der neurotypischen Beschaffenheit gibt;
oder eben eine schwere.
Aber man sollte mal darüber nachdenken.
Reinhard Rudolph sagte:
Unter einer „schweren Form der neurotypischen Beschaffenheit“ leiden möglicherweise Menschen aus dem „hypersozialen Spektrum“ wie z.B. „Stimmungskanonen“, „machtgeile Typen“, „notorische Selbstdarsteller“ und Blender. 😉
Regine Winkelmann sagte:
an solche etwa dachte ich @Reinhard Rudolph. 😉
Kiefner Sabine sagte:
Das sind schon sehr schwere Formen von Neurotypismus, Reinhard. 😉
Regine Winkelmann sagte:
ja, aber die haben ebenso wie wir auch Akzeptanz verdient, selbst wenn es mitunter recht schwer ist mit ihnen für uns.
stadtlyrik sagte:
Mild ist wohl falsch, unterschiedliche Ausprägungen hätte mir da besser gefallen
Ich selbst bin, wenn man das so sagen darf, betroffen… oftmals aber auch die anderen.
me sagte:
Im Allgemeinen lese ich diesen Blog sehr gerne – aber ich muss sagen, der aktuelle Beitrag ist in meinen Augen einfach Blödsinn. Man kann die Definition von „mild“ aus dem Duden nicht auf einen Begriff anwenden, der aus dem medizinischen Kontext stammt. Im medizinischen Kontext bedeutet „mild“ = „leicht, schwach“. Beispiele hierfür, aus dem alltäglichen medizinischen Sprachgebrauch: milde Hypertonie, milde Hyperthermie, mild cognitive impairment (MCI = leichte kognitive Beeiträchtigung) usw,
Folglich ist „milder Autismus“ = „leichter, schwacher Autismus“, und dieser Auffassung stimme ich als selbst Betroffene auch voll und ganz zu. Im Vergleich zu z.B. frühkindlichen Autisten sind viele Menschen mit Asperger-Syndrom nur „leicht“ betroffen und beeinträchtigt. Nur wollen das viele dieser Menschen nicht wahrhaben, weil es ihrem eigenen Ego wohl mehr schmeichelt, sich als „schwer betroffen“ darstellen zu können – nur merken sie dabei nicht, wie lächerlich sie sich damit machen.
Kiefner Sabine sagte:
Wenn du dem „mild“ als leicht oder schwach bezüglich deiner Form des Autismus zustimmst, finde ich das in Ordnung. Aber anderen zuzuschreiben, dass sie sich lächerlich machen, wenn sie sich nicht als leicht betroffen sehen, finde ich sehr vermessen. Woher willst du wissen, wie sehr sich jemand beeinträchtigt fühlt bzw. auch im Alltag beeinträchtigt ist? Sicher behauptet das niemand, weil es dem Ego mehr schmeichelt, schwer betgroffen zu sein. Das empfinde ich als Blödsinn, um deine Worte zu gebrauchen. Ich zumindest kenne keine(n) AutistIn, bei der dies zutrifft. Ich empfinde es auch nicht als milde oder schwache Form des Autismus, wenn Kinder mit der Diagnose Asperger-Syndrom in den Schulen gemobbt, vom Untgerricht ausgeschlossen oder gar als unbeschulbar der Schule verwiesen werden, wenn viele AspergerautistInnnen keine Arbeit finden und in einer Behindertenwerkstatt landen, wenn AspergerautistInnen Depressionen bekommen, weil sie ständig überfordert sind oder dem Anpassungsdruck nicht standhalten können.
Kiefner Sabine sagte:
Im Übrigen stelle ich mir die Frage, warum Asperger-AutistInnen einen Schwerbehindertenausweis bekommen, wenn sie doch nur eine milde oder schwache Form von Autismus haben? Müsste das Dokument dann konsequenterweise nicht Leichtbehindertenausweis heißen? Oder steht Asperger-AutistInnen am Ende gar kein Schwerbehindertenausweis zu und damit auch keine Unterstützung in Form von Eingliederungshilfen?
Hesting sagte:
Naja, da bist Du jetzt wieder bei der Diskussion, ob die 30% gerechtfertigt sind. Eine Mutter hatte diese Einstufung neulich als Eingangsbestaetigung bezeichnet. Ich denke, es steht nicht in Frage, dass es verschieden starke Ausprägungen gibt, auch beim Asperger-Syndrom noch, und dass die wirklich milden Fälle (Leute, die selbstbestimmt leben, arbeiten gehen, etc.) eben auch so diagnostiziert werden. Ich denke, es handelt sich um eine Kann-Formulierung. Und deshalb würde ich fordern, dass das Hilfsangebot durchlässig bleibt. Damit jeder die Hilfe bekommt, die er braucht. Weil sich das mit der Kraft zum Leben auch ändern kann.
Ich denke, am ehesten gibt die fünfte Definition die Bedeutung von „mild“ im Zusammenhang mit Autismus wieder.