Schlagwörter
Asperger-Syndrom, Überforderung, Emotionen, Fehlinterpretation, Gefühl, Missverständnisse
„Warum grinst du so? Da gibt es nichts zu lachen.“
Ich lache auch nicht.
Warum ein Grinsen auf meinem Gesicht erscheint, weiß ich nicht.
Es geschieht automatisch – jedes Mal.
Ich spüre das Zucken meiner Mundwinkel, ohne verhindern zu können, dass diese sich zu einem Grinsen formen, welches mir unangenehm ist, weil ich weiß, dass es in der entsprechenden Situation in der Regel unangemessen und falsch ist.
Aber wie soll ich erklären, dass dieses vermeintliche Lächeln keineswegs mit Absicht geschieht und weder Ausdruck von Schadenfreude noch das Verharmlosen eines ernsten oder traurigen Ereignisses ist, sondern viel mehr ein Zeichen emotionaler Überforderung und Unsicherheit?
Gerade in solchen Situationen fehlen mir die Worte.
Die Folge sind häufige Missverständnisse und Reaktionen meines sozialen Umfeldes, die ich nicht nachvollziehen kann.
Ich will nicht grinsen, wenn jemand mit mir schimpft oder Kritik an meinem Handeln übt.
Aber es lasst sich nicht vermeiden, weil ich den Grund des Schimpfens bzw. der Kritik in der Situation dem Kontext nicht entnehmen kann und in Folge dessen nicht weiß, wie ich entsprechend darauf reagieren soll. Es entsteht ein Moment der Handlungsunfähigkeit, der mit einer mangelnden Fähigkeit der Verarbeitung und des Ausdrucks von Gefühlen zusammenhängt.
Das Zucken der Mundwinkel und das daraus resultierende Grinsen erscheint mir wie ein Reflex, den ich ich nicht beeinflussen kann. Für mich ist es ein Signal, welches ich heute – im Gegensatz zu früher – im Sinne von: „Achtung, ich bin überfordert“ für mich interpretieren kann.
Während das Grinsen in den gerade genannten Situationen unangemessen ist und auf Grund der Fehlinterpretation meines Umfeldes auf Unverständnis und Missfallen stößt, wird es bei Lob und der Vergabe von Komplimenten fälschlicherweise als Zustimmung und Freude gesehen.
Aber auch hier ist es bei mir lediglich ein Ausdruck von Überforderung und einer mangelnden Fähigkeit, mein Gefühlserleben in diesen Momenten verbal zu äußern und sowohl mir als auch meinen Mitmenschen verständlich zu machen.
Ein Lob kann ich in dem Zusammenhang nicht einordnen bzw. verstehe dieses erst gar nicht als solches, weil ich die Bewältigung einer Herausforderung bei mir nicht als besondere Leistung, sondern als selbstverständlich und normal ansehe.
Seit meiner Kindheit bin ich bestrebt, alles perfekt zu machen, trotz meines Andersseins nicht aufzufallen und so zu sein, wie alle anderen, in dem ich permanent versucht habe, mich anzupassen und das Verhalten meiner Mitmenschen zu kopieren. Ich wollte dazugehören, auch, wenn ich ständig spürte, dass ich anders war. Niemand sollte erfahren, wer ich wirklich bin.
Gelobt zu werden, verunsichert mein Innen-Erleben und konfrontiert mich mit Gefühlen, die mich überfordern. Das Grinsen erscheint in der Reflexion aus meiner Sicht wie eine erlösende Reaktion auf die massive körperliche Anspannung, die eine emotionale Überforderung bei mir auslöst.
Schwierig wird es immer dann, wenn mein Grinsen als Zustimmung oder Aufforderung zu einer Handlung fehlinterpretiert wird. Das hat mich in der Vergangenheit häufiger in verzwickte und manchmal auch in brisante Situationen gebracht und zu zahlreichen Missverständnissen gerade im Bereich sozialer Kontakte geführt.
Aber es gibt auch Gelegenheiten, bei denen mir das Grinsen sehr hilfreich ist und mich vor unangenehmen Situationen bewahrt.
Erzählt jemand einen Witz, dessen Pointe ich nicht verstehe, dann kommt das Grinsen auch automatisch, weil ich in der Kommunikation überfordert bin.
In der Regel wird es von den meisten Menschen als Lachen über den Witz wahrgenommen, so dass niemand merkt, dass ich diesen in Wirklichkeit gar nicht verstanden habe.
Dies gelingt natürlich nur dann, wenn ein Witz vorher angekündigt ist und ich weiß, dass es sich bei der nachfolgenden Erzählung um einen Witz handelt.
Wird ein Witz oder eine lustige Pointe in ein Gespräch eingebunden, bemerke ich das oft gar nicht, so dass dann auch kein Grinsen aufgrund einer Überforderung in der Kommunikation erfolgt. Dieses stellt sich höchstens in dem Fall ein, wenn ich im Nachhinein auf die Pointe aufmerksam gemacht werde mit dem Hinweis darauf, diese wohl nicht verstanden bzw. überhört zu haben.
Schon seit meiner Kindheit kommt das Grinsen auch immer dann, wenn ich kurz davor bin, zu weinen. Da das Weinen immer mit einer emotionalen Überforderung und einer immensen körperlichen Anspannung in Verbindung steht, sehe ich das Grinsen heute in dem Kontext auch als Krampf lösende Reaktion ebenso wie in Situationen der Angst.
Auch hier stellt sich häufig ein unwillkürliches Grinsen ein, so dass mein soziales Umfeld meine massive Angst in bestimmten Situationen gar nicht als eine solche wahrnimmt.
Für mich stellt das immer wieder ein sehr großes Problem dar, weil mein aus der Angst heraus resultierendes verhalten nicht verstanden wird.
Wie kann ich einem Menschen begreiflich machen, dass ich vor bestimmten Dingen große Angst habe, wenn jener während meiner Schilderung dieses Grinsen bemerkt und es entsprechend falsch interpretiert?
„Erzähle doch nicht so einen Blödsinn. Du musst ja selber grinsen dabei.“
Wie oft habe ich diesen Satz früher zu hören bekommen!