Schlagwörter
Angst, Asperger-Syndrom, Autismus, Bedrohung, Erschöpfung, Krise
Ich sitze in dem Raum, der mir so sehr vertraut ist und suche nach etwas, woran ich mich festhalten kann.
Ihre Worte dringen in mein Innen-Sein und machen mir Angst.
Raus – ich will raus. Ich muss raus. Muss diesen Raum verlassen, bevor es zu spät ist.
Aber die Kraft fehlt und die Angst wird immer größer, dass sie mich nicht gehen lassen.
Dass ich bleiben muss und sie mich an einen anderen Ort bringen, einen bedrohlichen Ort, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt.
Ich schweige, ziehe mich immer mehr in mein Schweigen zurück, weil ich mich nur dort noch sicher fühle – ganz tief in mir, in meinem Innen-Sein.
Ihre Worte sind Außenworte.
Ich spüre ihre Nähe nicht. Spüre nur diese große Angst, die jedes ihrer Worte noch verstärkt.
Eine Angst, die mich lähmt.
Bitte, lasst mich gehen!
Sie hören diese Worte nicht, weil sie mein Innen-Sein nicht verlassen.
Weil sie nur dort laut um Hilfe schreien.
Ich muss mich beherrschen, darf die Kontrolle nicht verlieren, nicht zusammenbrechen. Nur nicht zusammenbrechen. Dann werde ich nicht mehr entscheiden können.
Mich ergeben oder Flucht.
Ich ahne, dass mir eine Flucht nicht gelingen wird. Dass sie mich festhalten werden.
Dass ich gefangen bin in diesem Raum, der mir bisher immer Sicherheit gegeben hat.
Immer wieder sagt sie dieses eine Wort, sagen beide dieses bedrohliche Wort.
Wiederholen es immer und immer wieder.
Sie deutet mit dem Finger auf die Stelle, wo das Wort bedrohlich auf dem Flipchart steht. Ich will es nicht sehen, will es nicht hören, will einfach nur weg, weil ich Angst habe. Große Angst.
Bitte, lasst mich gehen!
Wenn ich noch lange dort sitze, werde ich die Kontrolle verlieren und meine letzten Energiereserven, die ich brauche, um weiter funktionieren zu können.
Ich will zu meinem Sohn, will seine Liebe spüren, die mir bisher immer wieder Kraft gegeben hat. Ich brauche Halt. Dringend Halt. Und Schutz vor diesem einen Wort, welches zu einer immer größeren Bedrohung wird.
Wenn jetzt noch etwas geschieht, Sie eine weitere schlechte Nachricht erhalten, werden Sie dann noch genug Kraft haben und nicht zusammenbrechen?
Ich weiß es nicht.
Sie stellt Bedingungen.
Bedingungen, die ich erfüllen muss, damit ich gehen kann.
Und ich will gehen. Sofort. Einfach nur weg, bevor es zu spät ist.
Bevor sie eine Entscheidung trifft, die nicht mehr rückgängig zu machen ist.
Bevor beide entscheiden und ich keine Wahl mehr habe.
Ich habe nur noch das eine Ziel – diesen Raum verlassen und nach Hause gehen zu können.
Auch, wenn ich hierfür eine Abmachung treffen muss.
Eine Abmachung, an die ich mich selbstverständlich halten werde.
Weil mir mein Leben wichtig ist.
Als ich nach zwei Stunden vor der Tür endlich den eiskalten Wind in meinem Gesicht spüre, bin ich erleichtert. Ich habe es geschafft. Ich darf nach Hause gehen. Muss nicht bleiben oder mich einer Entscheidung beugen, die ich nicht selber getroffen habe, die über meinen Kopf hinweg und gegen meinen Willen getroffen wurde.
Es geht weiter.
Ich muss es schaffen. Und ich werde es schaffen.
Weil ich diesen Schritt geschafft habe.
Und weil es Menschen gibt, die mich in schwierigen Situationen ernst nehmen und nicht bloß sagen: „Stell dich nicht so an. Das wird schon wieder.“
Ich bin froh, dass es sie gibt. Dass sie für mich da sind.
Dass sie eben für mich da waren, obwohl ich ihre Nähe nicht spürte und mir ihre Worte und ihr Handeln Angst machten. Angst, die ich in der Form noch nie in meinem Leben als so bedrohlich wahrgenommen habe.
Aber das spüre ich erst jetzt, wo ich wieder zuhause bin und das Vertraute Sicherheit gibt. Wo mein Sohn für einen kurzen Moment eingerollt neben mir auf dem Sofa liegt und mir sein Dasein ein wenig Kraft zurückgibt.
Es geht weiter. Es wird immer weiter gehen.