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Als das Telefon am Freitagmorgen klingelt, weiß ich, dass sie es ist, weil wir es so verabredet haben und mich auf sie immer verlassen kann.
Aber ihre Worte schaffen erneut Unordnung in meinem Innen-Sein.
Sie wird auch in der nächsten Woche nicht zu mir kommen können.
„Nein“, möchte ich schreien, „das geht nicht!“
Ich habe die Termine doch bereits in meinen Kalender eingetragen, kann sie nicht schon wieder streichen. Will das auch nicht. Weil es erneut Veränderung bedeutet und es im Moment zu viele Veränderungen gibt und gewohnte, sichere Strukturen verloren gehen.
Ich brauche einen strukturierten Tagesablauf und Termine, die immer am gleichen Wochentag und zur gleichen Uhrzeit stattfinden. Ich mag es nicht, wenn Termine verschoben werden oder ausfallen. Das überfordert mich. Ein Dienstag ist kein Dienstag, wenn sie nicht zu mir kommt.
Der Dienstag ist ihr Tag. Schon der letzte Dienstag war ein Kein-Dienstag, genauso, wie der Freitag ein Kein-Freitag war.
Nein, der Freitag war nur ein Fast-Kein-Freitag, weil zumindest die Therapie zur gewohnten Uhrzeit stattfand. Allerdings zum letzten Mal im gewohnten Rhythmus.
Ab jetzt wird es nur noch einen Termin im Monat geben. Das verunsichert mich, obwohl ich lange Zeit hatte, mich darauf vorzubereiten. Es ist eine Veränderung und ich mag Veränderungen nicht, kann mich nur sehr schwer darauf einstellen, weil sie meinen Tagesablauf durcheinander bringen und die Eintragungen in meinem Terminkalender. Unordentlich sieht die folgende Woche aus, genau wie die letzte, nachdem ich die Termine erst zu einem großen Teil überschrieben und jetzt auch noch durchgestrichen habe. Alles ist durcheinander. Und genauso fühle ich mich.
Ich mag diese Woche nicht, möchte, dass sie vorbei ist, obwohl sie gerade erst begonnen hat.
Strukturlos begonnen hat mit einer zusätzlichen Veränderung, die auf Grund eines Fehlers nicht vorhersehbar war und mich daher völlig unerwartet überrennt.
Das Treppenhaus wird renoviert.
Auf dem Schreiben der Vermieterin vom letzten Donnerstag steht, dass die Handwerker am 15. März mit der Arbeit beginnen werden.
Aber der unerträgliche Lärm des Pressluftbohrers weckt mich bereits am Montagmorgen um 8.30 Uhr – zehn Tage vor dem schriftlich angekündigten Termin. Viel zu kurzfristig, um mich darauf vorzubereiten und dem Lärm ausweichen zu können.
„Aufhören! Hören Sie sofort mit diesem entsetzlichen Lärm auf!“
Auf dem Schreiben steht eindeutig eine 15, keine 5.
Ich muss mich auf das geschriebene Wort verlassen können.
Aber die Handwerker sind da. Sie werden nicht wieder gehen, nur weil sie laut Schreiben erst in zehn Tagen mit der Renovierung beginnen sollen.
Der Lärm ist unerträglich.
Ich werde meine Wohnung so schnell wie möglich verlassen müssen, weil ich dieses Geräusch nicht aushalte und es in meinem Kopf schon nach wenigen Minuten so dröhnt, dass ich mit ihm gegen die Wand rennen möchte, um diesen Schmerz endlich abzustellen.
Doch mein Körper ist noch zu träge auf Grund der Nachwirkung der Tropfen, die ich am Abend genommen habe gegen die innere Unruhe. Die Bewegungen können dem Drang der Gedanken nicht folgen. Ich brauche Zeit. Kann nicht so schnell reagieren, wie es der Kopf verlangt.
Wohin soll ich gehen, wenn der wichtigste Rückzugsort das Vertraute für den Moment verloren hat und keine Sicherheit mehr gibt, weil das Drumherum lärmend und schmutzig ist und damit anders als sonst? Anders und fremd. Und beängstigend.
Alles ist plötzlich anders – fremd und nicht mehr so, wie es mir vertraut war und ist. Das Zuhause, der Tagesablauf, die gewohnten Termine.
Wie soll ich die nächsten Wochen planen, wenn alles durcheinander geraten ist und nicht mehr vorhersehbar? Wenn die Ordnung fehlt und die Struktur, die mir Halt gibt.
Wenn Tage zu Kein-Tagen werden, weil ihr Ablauf gestört ist durch terminliche Veränderungen, die das gewohnte und vertraute Muster zerstören und eine Unordnung schaffen, die ich alleine nicht beseitigen kann.