Schlagwörter
Anderssein, Asperger-Syndrom, Äußerlichkeiten, Identität, Kleidung, Verhalten
Obwohl ich ständig darauf bedacht war, nicht aufzufallen, in dem ich die Verhaltensweisen meines sozialen Umfelds kopierte, blieb mein Anderssein in vielen Situationen offensichtlich.
Rückblickend gehe ich davon aus, dass es hauptsächlich mein Empfinden war, welches signalisierte, dass etwas mit mir nicht stimmte und nicht das meiner Mitmenschen.
Im Zusammenhang mit dem ständig steigenden Leidensdruck spielte es jedoch keine Rolle, ob mein Anderssein tatsächlich auffiel oder ob es lediglich meine Angst davor war, aufzufallen, die mich belastete. Ausschlaggebend war, dass ich unter keinen Umständen auf ein mögliches Fehlverhalten meinerseits hingewiesen werden wollte, weil dies schon seit meiner Kindheit verschwiegen worden war.
Lieber war es mir, anders auszusehen als anders zu sein.
Die Menschen würden sich damit zufrieden geben, weil viele von ihnen in erster Linie auf Äußerlichkeiten bedacht waren und ihre Mitmenschen danach beurteilten, wie sie aussahen und welche Kleidung sie trugen. Wer sich modisch kleidete und gut aussah, war in und galt vielen als erstrebenswertes Vorbild.
Eine Zeitlang hatte ich versucht, mich diesbezüglich anzupassen, aber meine Bemühungen schlugen fehl, weil ich eher merkwürdig aussah in Kleidungsstücken, die offensichtlich nicht zu mir und meiner eher tollpatschigen Art passten. Es sah nicht aus, wenn ich mich versuchte wie eine Dame zu kleiden und gleichzeitig eine burschikose Haltung (vor allen Dingen im Sitzen) einnahm.
Mir war das gleichgültig, solange die Menschen mein Anderssein lediglich über mein Aussehen definieren würden.
Welche Wirkung ich auf mein soziales Umfeld hatte, blieb mir zum größten Teil verschlossen, da ich meinerseits Menschen nicht nach ihrem äußerlichen Erscheinen beurteilte.
Ich verstand nicht, dass es Frauen gab, die sich stundenlang über bestimmte Modemarken unterhalten konnten und denen es wichtig war, sich auch dementsprechend zu kleiden.
Mir war die Zeit viel zu schade, mich mit derart unwichtigen Dingen zu beschäftigen.
Ich kaufte nur solche Kleidung, die mir gefiel und die sich gut anfühlte.
Vor allen Dingen der letzte Aspekt war für mich ausschlaggebend bei der Auswahl neuer Kleidungsstücke, da es viele Stoffe gibt, die ich auf der Haut nicht vertragen kann, die mich kratzen oder gar Hautreaktionen hervorrufen.
Zusätzlich bevorzugte ich warme, leuchtende Farben – weniger, um aufzufallen, sondern, weil sie positive Gefühle in mir auslösten. Am liebsten mochte ich die Farbe Lila, was bis heute so geblieben ist. Aber auch die Rottöne gefielen mir.
Meine Mutter schüttelte mit dem Kopf, wenn ich wieder einmal eine knallroten Nylonstrumpfhose trug. Ich mochte diese Farbe, vor allen Dingen im Winter, wenn die Natur eher trist und farblos war. Sie konnte mir Trost spenden, wenn ich niedergeschlagen war.
Es gab eine Zeit, da lackierte ich die Finger- und Fußnägel in kräftigen Rottönen, die oftmals nicht zu meiner Kleidung passten. Letzteres nahm ich in der Regel gar nicht wahr oder empfand dies anders als die Menschen, die mich darauf aufmerksam machten. Meistens war es meine Mutter, die den Farbton viel zu intensiv fand. Ich glaube, sie hätte es lieber gesehen, ich wäre unauffälliger gewesen in meiner Art, mich zu kleiden. Schließlich hatte sie seit meiner Kindheit versucht, alles zu tun, damit mein Anderssein unbemerkt blieb.
Aber ich wollte mich mich nicht auch noch anpassen müssen, was mein Aussehen betraf.
Es war schon schwierig genug, tagtäglich im sozialen und kommunikativen Bereich durch permanente Anpassung zu funktionieren, ohne aufzufallen. Mein Körper sollte nicht auch noch dem strengen Anpassungsmechanismus gehorchen müssen. Äußerlich wollte ich die Person sein, die ich wirklich war, um mir zumindest einen geringen Teil meiner Identität zu bewahren.