Protestaktion zum Welt-Autismus-Tag

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gegen die Verwendung des Wortes Autismus im Zusammenhang mit Politik, Wirtschaft und Amokläufen

Nachdem es in den letzten Tagen wieder vermehrt Artikel in verschiedenen Zeitungen gab, in denen Autismus als journalistisches Stilmittel missbraucht wurde, haben wir uns entschlossen, diese Form der Begriffsverwendung nicht mehr hinzunehmen und laut zu werden, um uns dagegen zu wehren.

Katja Carstensen hat bei Facebook eine Veranstaltung erstellt mit dem Titel:

Protestaktion zum Welt-Autismus-Tag gegen die Verwendung des Wortes Autismus im Zusammenhang mit Politik, Wirtschaft und Amokläufen

Wir möchten zum Autismustag eine Aktion starten die sich lautstark gegen diese Art Umgang mit dem Begriff Autismus wehrt. Es nimmt überhand. Politiker, Journalisten und Wirtschaftsbosse benutzen den Begriff ohne darüber nachzudenken welches Bild dadurch vom Autismus geprägt wird. Viele Menschen denken heute bei Autismus spontan an „Rainman“ (was so auch schon nicht richtig ist), bald werden sie bei diesem Begriff an Amokläufe, widerspenstige Politiker usw. denken. Lasst uns was dagegen unternehmen. In geschlossenen Foren und kleinen Gruppen werden wir nicht gehört. Postet hier Ideen wie wir uns mit diesem Anliegen lautstark bemerkbar machen können. Wir möchten nicht in Verbindung gebracht werden mit Eigenschaften wie Rücksichtslosigkeit, Egozentrik, Realitätsferne und Empathielosigkeit, für die Autismus immer häufiger in den Medien als journalistisches Stilmittel benutzt wird.

Dort suchen wir neben Menschen und Vereinen, die unsere Aktion unterstützen möchten, auch Ideen, wie wir die Protestaktion umsetzen können, um möglichst viele Menschen und vor allen Dingen die Medien erreichen können, um die es ja in erster Linie geht.

Wer sich an der Aktion beteiligen möchte, kann das entweder direkt bei Facebook tun, in dem er an der Veranstaltung teilnimmt oder diese auf seiner Pinnwand teilt oder sich hier über die Kommentarfunktion oder das Kontaktformular mit mir in Verbindung setzt.
Ich werde die Ideen dann entsprechend weiterleiten.

Wir hoffen, dass sich viele Menschen an unserer Aktion beteiligen und/oder auf diese durch Verlinkung und Verbreitung in den sozialen Netzwerken aufmerksam machen.

Vielen Dank.

+++Update+++

Gestartet werden soll die Aktion mit einem offenen Brief, an dem sich alle Interessierten beteiligen können. Dafür wurde ein Etherpad angelegt. Den Link könnt ihr bei Mädel erfragen. Entweder über ihren Twitteraccount Mädel76 oder über Facebook.
Der Brief soll dann am Welt-Autismus-Tag auf Blogs, Webseiten und in Foren veröffentlicht werden und natürlich auch die Medien erreichen. Denn um die geht es ja.

Was der Harlem Shake mit Autismus zu tun hat

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Bis heute nichts. Genauer ausgedrückt bis zu dem Zeitpunkt nichts, wo ich den Zeit-Online-Artikel über den Harlem Shake mit der Überschrift
„Die Zauberlehrlinge machen Party“ gelesen habe. Dort steht unmittelbar über einem Bild, welches vor der Leibniz-Universität in Hannover gemacht wurde und eine Menge tanzender, zum größten Teil wie im Karneval verkleideter Menschen zeigt:

Harlem Shake, der Internet-Schütteltanz, ist die Antwort auf den sexuellen Autismus unserer Gegenwart.

Was bitte schön ist sexueller Autismus?
Und was hat der Harlem Shake mit Autismus zu tun, außer der Tatsache, dass Autismus hier wieder einmal als journalistisches Stilmittel herhalten muss, weil es gerade „in“ ist, Autismus als Metapher zu nutzen, um etwas auszudrücken, was mit der Diagnose Autismus nichts zu tun hat – Egozentrik und Narzissmus.

Ich frage mich, warum Autismus von einigen JournalistInnen immer wieder missbraucht wird.
Ist es so schwer, sich präzise auszudrücken, die richtigen Worte zu finden für das, was man seiner Leserschaft mitteilen möchte? Oder ist Autismus mittlerweile zu einem journalistischen Schlagwort geworden, welches man benutzt, ohne sich überhaupt Gedanken darüber zu machen, was man schreibt?
Ist noch keiner der JournalistInnen auf die Idee gekommen, dass sich autistische Menschen durch ihren Wortmissbrauch diskriminiert fühlen könnten? Denn entgegen der oft vertretenen Meinung, AutistInnen hätten keine Gefühle, möchte ich an dieser Stelle betonen, dass wir sehr wohl Gefühle haben und diese entsprechend durch den Missbrauch des Wortes Autismus verletzt werden können.

Ich fühle mich diskriminiert, wenn ich im weiteren Verlauf des Artikel diesen Satz lese:

Auch der Harlem Shake ist keine haltlose Autistenparty, sondern eine kollektive Antwort auf den sexuellen Autismus, den die mediale Pornodienstleistung bierernst provoziert.

Geht es noch, Frau Harms?
Eine haltlose Autistenparty, was bitte soll das sein?
Machen Sie sich lustig darüber, dass AutistInnen in Überforderungssituationen zappeln und mit den Händen flattern und in solchen Momenten ihren Körper nicht kontrollieren können?
Wenn ja, dann kann ich darüber nicht lachen. Obwohl ich den Harlem Shake und die in dem Tanz praktizierten Körperverrenkungen an sich schon sehr amüsant finde. Aber ohne eine Verbindung zu einem sexuellen Autismus, von dem ich nicht einmal verstehe, was Sie damit überhaupt ausdrücken möchten.

Ich kann dazu nur eines sagen:

Ich verwehre mich gegen diese Form von Missbrauch des Wortes Autismus.

Und ich möchte an dieser Stelle auf andere Artikel hinweisen, die sich ebenso mit der Thematik auseinandergesetzt haben und Kritik üben an der missbräuchlichen Wortverwendung:

So ein bisschen Autismus – Querdenkender
Umgang mit dem Wort Autismus in den Medien – Torben Friedrich
Nochmal Autismus – die ennomane
Gut, dass wenigstens die Medien Bescheid wissen – Autzeit
Bedeutungswandel – Realitätsfilter
Der mediale Autist und Autismus und seine Autistenpartys – TrojaAs Blog
Merkbefreit Online – sanczny
Wortverfremdung – TageshausChaos

Sie sind im Übrigen heute nicht alleine, Frau Harms, was den journalistischen Wortmissbrauch betrifft, sondern finden sich in bester Gesellschaft mit Frau Fehr, die einen Artikel im Politblog des Schweizer Tages-Anzeigers mit der Frage „Leidet die Wirtschaftselite an gesellschaftlichem Autismus?“ tituliert.

Welt-Autismus-Tag – ein Tag für AutistInnen?

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Am 02. April ist wieder Welt-Autismus-Tag. Ein Tag, der 2008 von der UNO initiiert wurde, um weltweit aufzuklären darüber, was Autismus ist und um Ängste und Hürden abzubauen, die auf Grund mangelnder Kenntnis in der Gesellschaft noch immer sehr groß sind und ein Miteinander häufig erschweren. Unwissenheit behindert Akzeptanz.
Wenn ich den Suchmaschinen „Welt-Autismus-Tag“ eingebe, finde ich neben der in die deutsche Sprache übersetzte Definition der UNO nur sehr wenig Informationen. Ebenso sieht es mit der Präsenz in den Medien aus – leider auch mit Veranstaltungen oder besonderen Aktionen der zahlreichen Autismus-Regionalverbände. Größere Informationsveranstaltungen wie die des Vereins „Leben mit Autismus Bonn und Rhein-Sieg-Kreis e.V“ oder dem in diesem Jahr zum ersten Mal stattfindenden Leipziger Autismus-Tag (LunA) gibt es nur wenige. Oder es fehlt die überregionale Verbreitung von Informationen über geplante Aktionen im Internet und in der Presse. Und damit auch das Erreichen möglichst vieler Menschen. Was es nicht gibt, ist eine bundesweite Kampagne zum Beispiel in Form eines Plakates. Vereinzelt haben sich Regionalverbände der Aktion „Light it up blue“ der amerikanischen Organisation Autism Speaks angeschlossen. Aber viele AutistInnen (ich eingeschlossen) und Angehörige autistischer Menschen distanzieren sich von Autism Speaks, weil sich die Organisation in erster Linie mit der Erforschung der genetischen Ursachen von Autismus und möglicher Heilungsmethoden beschäftigt und die Meinung vertritt, dass Autismus ein Feind ist, welcher bekämpft werden muss. Eine solche Haltung finde ich diskriminierend und im Hinblick auf die Pränataldiagnostik sehr bedenklich. Eine Aktion oder Veranstaltung zum Welt-Autismus-Tag soll die Interessen der AutistInnen vertreten und auf jene in der Gesellschaft aufmerksam machen. Damit kehre ich zu meiner Ausgangsfrage zurück.

Warum gibt es so wenig Öffentlichkeitsarbeit?
Und warum wird den Veranstaltungen, die anlässlich des Welt-Autismus-Tages stattfinden, nicht mehr Interesse seitens der Medien geschenkt?
Ein solcher Tag macht doch nur dann Sinn, wenn Stimmen laut werden und die Gesellschaft aufmerksam gemacht wird auf bestehende Missstände zum Beispiel bei der Beschulung autistischer Kinder oder bei der Vermittlung autistischer Jugendlichen und Erwachsenen auf dem Arbeitsmarkt. Wichtig hierfür wäre eine bundesweite Vernetzung von Vereinen, Fachleuten und Interessierten, die sich mit dem Thema Autismus auseinandersetzen. Unabdingbar ist das Miteinbeziehen der Menschen, um deren Belange es geht. Bis heute sitzen nur wenige AutistInnen in Vorständen von Autismusvereinen, obwohl es dort um ihre Interessenvertretung geht. Auf Fachtagungen und Veranstaltungen gibt es mittlerweile einige autistische ReferentInnen, die Autismus aus ihrem persönlichen Erleben heraus erklären. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das Interesse an der autistischen Innensicht sehr groß ist, weil sie einen tieferen Einblick in das autistische Sein gewährt als eine ausschließliche Vermittlung von theoretischem Fachwissen.

Doch egal, ob Innensicht oder Fachwissen, Aufklärung tut Not angesichts bestehender Klischees über Autismus, die sich hartnäckig halten und dazu führen, dass sich viele autistische Menschen im Alltag ständig rechtfertigen müssen, weil sie nicht in das gängige Bild vom nicht sprechenden, geistig behinderten oder dem hoch- oder inselbegabten Autisten passen. Sowohl Eltern autistischer Kinder als auch spät diagnostizierte Erwachsene bemängeln, dass sie nach erfolgter Diagnose allein gelassen werden, dass Bürokratie und lange Wartezeiten häufig die notwendige Unterstützung (Schulbegleitung, Therapie, Betreuung, persönliche Assistenz) verzögern und autistische Menschen damit an der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehindert werden. Viele AutistInnen wünschen sich, dass sie in Entscheidungen mit einbezogen werden und das diese nicht über ihre Köpfe hinweg getroffen werden. Dass man mit ihnen spricht statt lediglich über sie. Dass es (mehr) Interessenverbände gibt, die sich für die Belange autistischer Menschen einsetzen – vor allen Dingen auf politischer Ebene.

Damit wir laut werden können, sind viele von uns aber auf Unterstützung angewiesen. Ich auch.
Zwar halte ich seit zwei Jahren Vorträge über Autismus, vor allen Dingen auch auf der Informationsveranstaltung in Bonn anlässlich des Welt-Autismus-Tages, aber das schaffe ich nur, weil mich Menschen unterstützen, in dem sie mich zu den Vorträgen begleiten und für mich die notwendigen Kontakte herstellen. Ich kann nicht einfach das Telefon in die Hand nehmen und mit fremden Menschen Gespräche über mögliche Vorträge führen oder Termine für Lesungen aus meinem Buch vereinbaren. Auch per Mail gelingt mir das nur bei konkreter Anfrage. Mein Blog macht es mir möglich, einige Menschen zu erreichen. Mittlerweile gibt es viele autistische BloggerInnen, die auf diese Weise über Autismus aufklären und informieren. Und die Ende letzten Jahres laut geworden sind, als in der Medienberichterstattung über den Amoklauf in Newtown ein kausaler Zusammenhang hergestellt wurde zwischen Autismus und Gewalttaten. Aber auch da hätte ich mir mehr Unterstützung aus den Reihen der
Autismusverbände gewünscht. Nicht nur eine schriftliche Stellungnahme des Bundesverbandes autismus Deutschland e.v. Immerhin haben wir es mit unserem Protest geschafft, dass einige Zeitungen und regionale Radiosender über unsere Kritik an der Medienberichterstattung berichtet haben.

Und genau das wünsche ich mir für den Welt-Autismus-Tag auch.
Dass darüber berichtet wird und die Menschen in Deutschland bundesweit informiert und aufgeklärt werden darüber, was Autismus ist. Dass es vorab Ankündigungen von den stattfindenden Veranstaltungen in den Medien und im Internet gibt und die Presse einmal vor Ort präsent ist und über die Aktionen und Vorträge berichtet.

Unwissenheit oder bloß ein schlechter Aprilscherz?

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Wenn jemand mit dem Namen Albern einen Artikel schreibt, sollte man dann am besten sofort Rückschlüsse ziehen über die Ernsthaftigkeit seiner Worte? Diese zumindest bei dem Geschreibsel, welches gestern in der Readers Edition veröffentlicht wurde, in Frage stellen. Ich hoffe es. Denn sollte dieser Text ernst gemeint sein, dann gehört er zu den schlechtesten, die je über Autismus geschrieben wurden. Obwohl – auch als ein Versuch von Ironie gedacht – ist er höchstens als geschmacklos einzustufen. Geschmacklos und diskriminierend. Lachen kann ich auf jeden Fall nicht darüber, auch wenn ich zuerst an einen vorgezogenen, schlechten Aprilscherz gedacht habe.

Vielleicht bin ich ja auch nur zu ahnungslos – denn eine Ahnungslosigkeit unterstellt mir Herr Albern ja schon allein bedingt durch die Tatsache, dass ich Autistin bin.
Aber halt – ich muss mich korrigieren. Dank meiner mir häufig nachgesagten sprachlichen Korinthenkackerei geht es ja in dem Text nur um Autisten. Nicht um Autistinnen. Da sollte ich vielleicht einmal bei Herrn Albern nachfragen, ob er mich überhaupt meint, wenn er verallgemeinernd von dem Autisten schreibt. Doch sollte ich seinem Geschreibsel so viel Aufmerksamkeit schenken? Wert ist es das nicht. Ganz im Gegenteil. Am besten wäre es, wenn ein solcher Wortmüll so schnell wie möglich und ungelesen im Archiv der Readers Edition verschwindet.

Auf der anderen Seite war meine Wut beim Lesen viel zu groß, um diesen Text ignorieren zu können. Selbst Google schickte mir eine Mail, weil ich Einträge mit dem Stichwort „Autismus“ abonniert habe. Das bedeutet, dass noch mehr an Beiträgen über Autismus interessierte Menschen auf diese Weise auf den Text aufmerksam geworden sind und ihn möglicherweise lesen und reagieren werden. Auch, wenn der Verfasser am Ende seiner Ausführung nahezu albern darauf hinweist, dass Risiken und Nebenwirkungen seines Textes in keiner Apotheke abzufragen sind. Dieser Zusatz macht den Wortmüll nicht erträglicher. Denn egal, ob Ironie oder Ernsthaftigkeit, das Geschriebene ist und bleibt geschmacklos und diskriminierend und entbehrt jeglicher sachlicher Argumentation. Vielmehr frage ich mich, was Herr Albern mit diesem Text aussagen möchte. Eine sachlich fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema Autismus und Religion beinhaltet er genauso wenig, wie er zum Lachen bringen kann, falls es sich hierbei lediglich um einen vorgezogenen Aprilscherz handelt.

Laut Blogform soll es bei ihren journalistischen Produkten um Veröffentlichungen mit einem hohen Qualitätsanspruch gehen. Wo bitte finde ich diesen in dem Text von Herrn Albern realisiert? Auch nach mehrmaligem Lesen und intensiver Suche bleibt er mir verborgen, der angebliche Qualitätsanspruch.

Auf die Einzelheiten in dem als Kommentar deklarierten Text möchte ich hier nicht näher eingehen.
Dazu gibt es einen Blogbeitrag bei Quergedachtes mit der Überschrift „Buchstabensuppe des Unwissens“, auf den ich an dieser Stelle verweise und in dem bereits alles aufgeführt ist, was es zum Inhalt dieses Geschreibsels und seiner Qualität zu sagen gibt.

Dem Autismus entkommen?

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Durch soziale Kontakte dem Autismus entkommen?

Wie sich das anhört – dem Autismus entkommen.
Vor allen Dingen im Zusammenhang mit der fettgedruckten Überschrift des von mir zitierten Interviews bei dradio.de: „Autismus kein lebenslanges Schicksal“.
Demnach muss Autismus etwas Schreckliches sein, etwas, dem man unbedingt entkommen sollte. Entkommen klingt nach Flucht. Flucht vor einem Unglück, einer Katastrophe. Ist Autismus eine Katastrophe? Sehen Außenstehende im Autismus eine Katastrophe, der man als autistischer Mensch unbedingt entkommen muss und in der Therapie die einzige Möglichkeit, dieses Ziel langfristig zu erreichen? Werden AutistInnen gefragt, ob sie ihrem Autismus überhaupt entkommen möchten? Ob sie ihn genauso schlimm empfinden, wie es einige Außenstehende offensichtlich tun? Und sind die Menschen, über die hier berichtet wird, wirklich ihrem Autismus entkommen, so, wie es der Autor beschreibt? Ich habe da große Zweifel. Zweifel daran, dass es ausreicht, soziale Kontakte zu haben, um seinem Autismus entkommen zu sein.

Eine Studie soll diese These belegen

Eine neue Studie des Psychologischen Instituts der University of Connecticut soll belegen, „dass vor allem gute soziale Kontakte die Chancen erhöhen könnten, dem Autismus zu entkommen“. Gleichzeitig wird aber von Prof. Deborah Fein, deren Team die Studie durchgeführt hat, in dem Interview darauf hingewiesen, dass die Kinder, die aus dem Autismus heraus wuchsen, im stereotypen Verhalten und in der sprachlichen Kommunikation genauso schlecht waren wie Betroffene, die lebenslang autistisch bleiben. Die erste Frage, die ich mit hier stelle, ist die, wie Frau Fein darauf kommt, dass Menschen, die nach wie vor typisch autistisches Verhalten zeigen, ihrem Autismus entkommen sein sollen? Autismus reduziert sich doch nicht ausschließlich auf die Schwierigkeit, soziale Kontakte herzustellen und halten zu können. Selbstverständlich kann ein gut funktionierendes, soziales Netz autistischen Menschen helfen,
sich in einem nichtautistischen Alltag besser zurecht zu finden und teilhaben zu können am gesellschaftlichen Leben, zumindest in dem Rahmen, wie es von AutistInnen gewünscht ist.
Denn ein Zuviel an Sozialkontakten kann auch sehr schnell zu einer Überforderung führen und damit zu einem Rückzug. Das Pflegen von sozialen Kontakten hat auch immer etwas mit Anpassung zu tun. Einer Anpassung, die Stress bedeutet. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, welche Anpassungsleistung AutistInnen jeden Tag leisten.

Zauberei oder Kompensation

Leider erfährt man in dem Interview nicht, welche Faktoren ausschlaggebend waren für die Verbesserung oder dem Verschwinden der Schwierigkeiten im Bereich der sozialen Kontakte. Der Verfasser des Textes schreibt zu Beginn nur, dass immer wieder Fälle von Autisten beschrieben worden sind, die ihre Probleme in den Griff bekamen. Manchmal aufgrund von Therapie und Übung, manchmal quasi von selbst.
Quasi wie von selbst, das hört sich an wie Zauberei. Hokus Pokus Fidibus, weg sind die typisch autistischen Merkmale, die zuvor zu der Diagnose Autismus geführt haben. Weg, wie von Zauberhand.
Oder sind es doch „nur“ Kompensations- und Anpassungsstrategien, die sich autistische Menschen im Laufe ihres Lebens angeeignet haben, um nicht aufzufallen in einer nichtautistischen Welt, die Anderssein noch immer viel zu wenig akzeptiert?
Und kann die Kompensation, also der Ausgleich von Defiziten, dazu führen, dem Autismus zu entkommen? Sicher nicht. Auch, wenn es nach außen hin so scheint. Vielleicht sind es die Wunschvorstellungen einer Gesellschaft nach dem normierten Menschen, die in der Kompensation und lebenslangen Anpassung ein Entkommen sieht nach dem Motto „Was ich nicht mehr sehe, existiert auch nicht mehr“. Leider ist das aber ein Trugschluss. Denn auch, wenn ich als Autistin in der Lage bin, mich durch Anpassung für einen gewissen Zeitraum unauffällig zu verhalten, so bleibe ich dennoch autistisch.

10 bis 25 Prozent aller Betroffenen können aus dem Autismus heraus wachsen

Das sind allerdings nur Schätzungen, die Frau Fein anhand ihr vorliegenden Informationen getroffen hat. Einige Wissenschaftler würden sogar davon ausgehen, dass 40 Prozent aller Menschen mit einer Autismusdiagnose aus ihrem Autismus heraus wachsen könnten. Dies hält sie selber aber für übertrieben.
Mich interessiert weniger die Prozentzahl, sondern mehr die Frage, was die Wissenschaftler inklusive Frau Fein exakt unter einem Herauswachsen aus dem Autismus verstehen. Frau Fein bezog sich in dem Interview ja lediglich auf die sozialen Defizite und betont, dass sich stereotype Verhaltensweisen und die sprachliche Kommunikation nicht verbessert haben, sondern dass die Defizite in den beiden Bereichen weiterhin im gleichen Mass vorhanden waren wie in der Vergleichsgruppe der Menschen, die laut ihrer Aussage, lebenslänglich autistisch bleiben. Sie verweist aber auch darauf, dass es sich hier nur um erste Ergebnisse handelt, die durch weitere Untersuchungen noch bestätigt werden müssen.

Meiner Meinung nach sollte man sehr vorsichtig mit einer These umgehen, dass sich Autismus heraus wachsen kann. Richtig ist, dass AutistInnen lernen können, im Alltag besser mit ihren Schwierigkeiten umzugehen. Aber auch das kann langfristig nur gelingen, wenn der Blick nicht nur auf ihre Defizite gerichtet wird, sondern auch die Stärken hervorgehoben werden und autistische Menschen so akzeptiert werden, wie sie sind – nämlich autistisch.
Autismus ist kein schreckliches Schicksal, dem man unbedingt entkommen muss. Genau das beschrieb Jasmine O´Neill schon 2001:

Der Autismus an sich ist keine Hölle. Die Hölle entsteht erst durch eine Gesellschaft, die sich weigert, Menschen zu akzeptieren, die anders sind als die Norm, oder diese Menschen zur Anpassung zwingen will.

Schublade Autismus – warum es Zeit wird, aufzuräumen

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Autismus-Schubladen gibt es viele und man wird sehr schnell in eine solche gesteckt, sobald man sich in der Gesellschaft als AutistIn outet. Auch die Medien bedienen sich immer wieder dieser Schubladen.

Die Regenmänner-Schublade

An erster Stelle steht hier das im Zusammenhang mit Artikeln zum Thema Autismus verwendete Bild vom Rainman, welches nicht nur mit Worten, sondern auch durch Veröffentlichung eines Bildausschnittes aus dem gleichnamigen Film mit Dustin Hoffman und Tom Cruise vermittelt wird. Mit dem Bild assoziieren Menschen die in dem Film dargestellten, autistischen Verhaltensweisen, die aber trotz guter, schauspielerischer Leistung, nicht unbedingt autismustypisch sind. Aber die Regenmänner-Schublade ist beliebt – auch heute noch. Es gibt sogar ReferentInnen, die ihren Vortrag über Autismus mit diesem Bild beginnen. Vielleicht aus dem Grund, weil es bei den meisten Menschen einen Aha-Effekt auslöst. Mich erinnert es an eine Szene aus dem Film „Snowcake“, in der eine Nachbarin der Autistin sagt:
“Ich weiß, was Autismus ist. Ich habe diesen Film gesehen.“
Schublade auf, AutistIn rein, Schublade zu. Doch so einfach ist das nicht.
Wer Rainman gesehen hat, weiß nicht automatisch, was Autismus ist. Ich kenne keinen Menschen mit einer Autismusdiagnose, der Rainman ähnlich ist. Ein Grund hierfür ist, dass Dustin Hoffman in dem Film einen Savant gespielt hat, also weder einen frühkindlichen noch einen Asperger-Autisten. Die in dem Film dargestellte Inselbegabung ist ein typisches Merkmal der Savants. Leider wird sie bis heute immer noch mit dem Spezialinteresse autistischer Menschen verwechselt, weshalb die Rainman-Schublade ein verzerrtes Bild von Autismus wiedergibt.

Schubladendenken schafft Vorurteile

Bei anderen Autismus-Schubladen ist die Situation ganz ähnlich. Sie basieren in den meisten Fällen nur auf Klischeevorstellungen. Auf keinen Fall erfassen sie die Bandbreite von Diagnosekriterien der Autismus-Spektrum-Störungen, sondern lediglich einige, oft mit Vorurteilen behaftete Eigenschaften oder Verhaltensweisen. Da gibt es zum Beispiel das Bild von dem sabbernden, nicht sprechenden Autisten, der den ganzen Tag mit dem Oberkörper wippend in einer Ecke sitzt. Oder die Schublade geistige Behinderung, derer sich die Medien oft bedienen, wenn sie über Autismus berichten.
Einmal in eine dieser Schubladen gesteckt, bekommt man entweder die Verhaltensweisen übergestülpt, egal, ob sie passend sind oder nicht oder die Autismusdiagnose wird von Außenstehenden angezweifelt, weil man nicht in diese Schubladen passt.

Ich erinnere mich da an eine Begebenheit, die mir vor zwei Jahren passiert ist. Ich hatte zu einem Zeitungsartikel über die Modediagnose Autismus online einen Kommentar geschrieben und dort meine kritische Sicht als Autistin geschildert, worauf der Redakteur antwortete, ich könne keine Autistin sein, weil ich nämlich, wäre ich autistisch, gar nicht in der Lage sei zu schreiben. Schlimmer noch, er fühlte sich sogar von mir provoziert, weil ich so tun würde, als sei ich eine Autistin. Dabei kann ich genau das nicht – so tun als ob.

Die Autismus-Schublade in den Medien

Die Medien bedienen sich gerne vorhandener, häufig veralteter Klischeevorstellungen in der Berichterstattung über das Leben autistischer Menschen. Das Schlimme daran ist, dass dadurch der Gesellschaft ein falsches oder zumindest sehr einseitiges Bild von AutistInnen vermittelt wird, welches sich in den Köpfen der Menschen festsetzt.

Asperger-Syndrom: Blind für die Emotionen anderer Menschen.
So lautete Ende letzten Jahres die Schlagzeile eines Artikels über den Amoklauf in Newtown, welcher sehr schnell ähnliche Aussagen in diversen Zeitungen folgten. Autismus wurde plötzlich mit Massenmördern und Amokläufern in Verbindung gebracht, obwohl nicht einmal erwiesen war, ob der Amokläufer überhaupt autistisch war. Die Medien hatten ihre Schlagzeile und Autismus eine neue Schublade. Eine Schublade, in die kein autistischer Mensch passte, aber wegen der die Gefahr einer Stigmatisierung durch die Herstellung eines kausalen Zusammenhangs zwischen Autismus und Gewalttaten auf einmal sehr groß war.

Dieses Beispiel zeigt die Macht des geschriebenen Wortes und ist gleichzeitig ein Appell an die Medien, sich der Folgen ihrer Berichterstattung und damit auch ihrer Verantwortung, die sich daraus ergibt, bewusst zu werden und entsprechend zu handeln. Die Berichterstattung über den Amoklauf in Newtown hat bewiesen, wie schwer sich die Medien getan haben, das durch ihre Worte entstandene Bild von Autismus nach massiver Kritik einiger AutistInnen und Eltern autistischer Kinder im Nachhinein zu korrigieren. Und sie hat eine neue Autismus-Schublade geschaffen, der sich einen Monat später erneut eine Tageszeitung im Zusammenhang mit einem Mord bediente, als sei Autismus ein Motiv für ein Tötungsdelikt. Ich hoffe, dass diese Schublade sehr schnell in den Medien-Archiven verschwindet und dort für immer verschlossen bleibt.

Es gibt nicht den autistischen Menschen

Unabhängig von Form und Inhalt, mag ich grundsätzlich nicht in eine Schublade gesteckt werden. Autistinnen sind – wie alle anderen Menschen auch – viel zu verschieden, um ihnen ein Bild überzustülpen, welches ihnen nicht gerecht wird, weil es zu einseitig ist und Individualität ausschließt. Nicht umsonst spricht man heute von einem Autismus-Spektrum. Veraltete Klischeevorstellungen finden dort keinen Platz mehr. Trotzdem bedarf es weiterhin noch viel Aufklärungsarbeit, bis alle Vorurteile abgebaut und Klischees aus den Köpfen der Menschen verschwunden sind. Die Medien könnten einen großen Teil dazu beitragen. Dazu wäre es aber notwendig, dass sie nicht länger aus vorhandenen Schubladen schöpfen, sondern vielmehr neue Wege finden, in dem sie häufiger über die Innensicht von AutistInnen berichten, statt lediglich allgemein gehaltene Artikel über sie und ihre Köpfe hinweg zu verfassen.

Vielleicht sind die Blogger-Themen-Tage der Anfang, ein neues Bewusstsein im Umgang mit dem Thema Behinderung in den Medien zu schaffen.

Programm für den 03. März der Blogger-Themen-Tage 2013

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Uhrzeit Blogname Beitrag
12:00 Miriam Hartz “Außenseiter, abgekürzt AS”
12:30 Lobby 4 Kids Inklusion in der Schule
13:00 Polygonos Auch Autisten haben Gefühle
13:30 Viele in einem noch offen
14:00 Leider Ausgefallen “Alle gleich?”
14:30 Aspergerfrauen Schublade Autismus – warum es Zeit wird, aufzuräumen
15:00 Reiner Sauer Von Gemeinschaft Reden und ausgrenzen
15:30 Silke Bauerfeind Fotocollage “Identitäten: anders abgebogen und doch mittendrin”
16:00 Autzeit Das Ich in mir
16:30 Kbehrmann „Outsider Art“ – eine positive Diskriminierung
17:00 Realitaetsfilter Von Medien und Schadensbegrenzung
17:30 Mellissandra Wenn eine Mutter mit ADHS Kinder bekommt
18:00 Eva ist in Paderborn “Deine Sünden sind dir vergeben”
18:30 Leider Ausgefallen “Plötzlich behindert – hält das die Liebe aus?”
19:00 Heute bin ich anders Autistische Wahrnehmung
19:30 Denkzeiten “Im Gefängnis der anderen” Autismus und Medien
20:00 Johannes Mairhofer Ein Auge ist genug (Video)
20:30 Faden Rot “Traumländer und Parallelwelten”
21:00 Demenz für Anfänger Freundlich sein
21:30 Melas Blog Wider den Reparaturwahn
22:00 Quergedachtes #EinfachSein: Mein Autismus mal anders

Programm für den 02. März der Blogger-Themen-Tage 2013

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Uhrzeit Blog Beitrag
12:00 leidenschaftlich
widersynnig
“Diagnose: gehindert”
12:30 Meinen Senf dazugeben Diagnose: Ihr Kind ist taub…
13:00 Eva ist in Paderborn “Ich sehe was, was du nicht siehst.”
13:30 Innerwelt “Reizüberflutung, autistische Wahrnehmung und was sie für mich bedeutet”
14:00 Kiezkicker Autistisches Temperaturempfinden, über das Schwitzen und das Alleinsein in einem ausverkauften Fußballstadion
14:30 Schreib Lounge Blog Wenn Behinderte Behinderte behindern … Über den Umgang mit Behinderungen
15:00 Erdrand Blog AD(H)S und die Stigmatisierung
15:30 Leider Ausgefallen “Anders = dumm?”
16:00 Polygonos Ich sehe was, was du nicht siehst
16:30 Schreib Lounge Blog Als Sehende am Skitag der Blinden und Taubblinden
17:00 Traumspruch Blindleben
17:30 Denkzeiten Wir werden ihm nicht helfen
18:00 Ines Meisel Der Winterschläfer
18:30 Mellissandra ADHS und Inklusion von Schülern in der Regelschule
19:00 Meine Welt ist anders Unwissenheit schürt Ängste – Ein Kreislauf von Ausgrenzung und Isolation
19:30 Leider Ausgefallen Symtomathik ADHS im Bezug auf Ausgrenzung und ANDERST SEIN
20:00 Entia Blog “Inklusion und Werkstätten für Menschen mit Behinderung – ein Widerspruch?
20:30 Inclusio Medien Wilma
21:00 Pflege und Betreuung Popo abwischen und Breifüttern – Oder doch viel mehr?

Programm für den 01. März der Blogger-Themen-Tage 2013

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Uhrzeit Blog Beitrag
12:00 Quergedachtes #EinfachSein
12:30 Eva ist in Paderborn “Was ist der Mensch?”
13:00 Marcel gibt Gas Der E-Rolli und sein Schatten
13:30 Dasfotobus Begegnungen
14:00 Web04 Interview: Einfach auf Schalke Sein
14:30 Schreib Lounge Dick, dumm und disziplinlos
15:00 Ausgefallen Über Studenten mit Behinderung an einer HS in Brandenburg
15:30 Polygonos Körper,Geist und Seele
16:00 Stadtneurotiker »Der Teufel im Rollstuhl«
16:30 Couchpotatoes “Wenn das pinke Shirt zum roten Tuch wird”
17:00 Alles Inklusiv Am Lernen behindert? Traumatisierte Kinder und Schule
17:30 Wiener Alltag “Klinefelter-Syndrom – Fakten statt Vorurteile”
18:00 Ubeudgen Interview mit Künstler
18:30 Yay Rheuma! „Knüppel zwischen die Beine“.
19:00 A Blog that goes like this Menschen mit Behinderung im Arbeitsfeld der Heilerziehungspflege- Ansichten einer Anerkennungsjahrspraktikantin
19:30 Meilert.net “Schau das Mädchen im Rollstuhl dort an, sie hat es sehr schwer”
20:00 Hinweis Entstehung der Traumdisco-Berlin
20:30 Mama hat jetzt keine Zeit “Hauptsache gesund – Oder: Ist ausser der Angst noch etwas zurückgeblieben?”
21:00 Tageshauschaos
Wenn Schmerz kaum spürbar ist

Autismus oder nichts weiter als eine vergleichsweise harmlose Verhaltensstörung?

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Ich hätte ihn besser nicht gelesen, diesen Artikel bei dradio.de. Denn was ich dort finde, ist nicht gut für meinen Blutdruck. Die Medien schaffen es immer wieder, Humbug zu schreiben über das, was Autismus angeblich ist. Schon die Überschrift verheißt nichts Gutes.

Autismus wird zur Trenddiagnose

steht dort fettgedruckt und im nächsten Satz darunter ist sogar von einer ständig steigender Zahl vermeintlich Betroffener die Rede. Vermeintlich betroffen? Was will Herr Mirko Smiljanic den LeserInnen mit dieser Aussage vermitteln? Dass es immer mehr Menschen gibt, die nur fälschlicherweise eine Autismusdiagnose haben? Dass sich immer mehr Ärzte irren, wenn sie Autismus diagnostizieren? Dass viele AutistInnen nur eine Diagnose bekommen haben, weil Autismus gerade in ist? Über die Frage, ob Autismus eine Modediagnose ist, habe ich bereits am 06. Februar einen Beitrag in meinem Blog geschrieben. Daher möchte ich mich dazu hier nicht weiter äußern, weil ich mich nur wiederholen würde. Dabei fürchte ich, dass man es nicht oft genug wiederholen kann. Solange, bis Aussagen wie diese endgültig aus allen Zeitungen und Zeitschriften verschwunden sind.

Und wieder Rainman

Des weiteren bedient sich der Autor des Artikel wieder des Rainman-Fotos. Hierüber habe ich meinen Beitrag zu den Blogger-Themen-Tagen geschrieben. Darum an dieser Stelle nur ein Hinweis an alle Medienmenschen:
„Autisten sind keine Regenmänner!“
Mit diesem Bild wird den Menschen suggeriert, dass das in dem Film dargestellte Verhalten autismustypisch ist. Das Betrachten des Fotos löst bei den LeserInnen, die Rainman gesehen haben, automatisch einen Aha-Effekt aus. Autisten – das sind doch die, die Streichhölzer auf dem Boden zählen und Telefonbücher auswendig lernen. Nein, das sind wir eben nicht! Die wenigsten AutistInnen lernen Telefonbücher auswendig oder wissen auf Anhieb, wie viele Streichhölzer auf dem Boden liegen, wenn die Schachtel hingefallen ist.

Schuld der Medien an der steigenden Zahl von Autismus-Diagnosen?

Im weiteren Verlauf des Artikel erfährt man, dass die Medien Schuld seien an der steigenden Zahl der mit Autismus diagnostizierten Menschen. Warum? Ganz einfach – weil sie zu positiv über das Thema Autismus berichten. Sollte mir da etwas entgangen sein?
Die letzten Berichte in den Medien haben sicher alles andere vermittelt als ein positives Bild von Autismus. Herr Smiljanic stellt einen kausalen Zusammenhang her zwischen einer angeblich positiven Berichterstattung und der steigenden Zahl diagnostizierter Autismus-Spektrum-Störungen.
Wie das funktionieren soll, erschließt sich mir nicht. Schließlich werden die Diagnosen von FachärztInnen gestellt und nicht durch die Medien.

Autismus – eine Krankheit mit schweren hirnorganischen Leiden?

Aber es kommt noch schlimmer.
Autismus-Störungen seien ganz eindeutig Krankheiten, die mit schweren hirnorganischen Leiden einhergehen. An dieser Stelle möchte ich laut schreien. Nicht wegen des Leidens, was hier mit Autismus in Verbindung gebracht wird, sondern wegen des Inhaltes dieser Aussage. Autismus ist keine Krankheit! Auch das muss man offensichtlich immer und immer wieder wiederholen. Zudem möchte ich wissen, was der Autor unter einem hirnorganischen Leiden versteht. Mein Hirn leidet nicht. Dem geht es sogar sehr gut.

Sind Fähigkeiten von autistischen Menschen pathologisch?

Und es geht weiter.

Hinzu kommt, dass viele pathologische Eigenschaften von Autisten sozial durchaus erwünscht sind. Wer sich detailreich mit dem Thema Erderwärmung auskennt, wer die Primzahlen zwischen Null und einer Million auswendig kennt, kann auf Partys durchaus Pluspunkte sammeln.

Da haben dann die meisten AutistInnen wieder Pech gehabt und werden keine Pluspunkte auf Partys sammeln, wenn sie überhaupt jemals eine solche besuchen werden. Denn, Herr Smiljanic, Sie werden selten einen autistischen Menschen auf einer Party antreffen. Und, wie bereits im Zusammenhang mit dem Rainman-Foto erwähnt, verfügen nicht alle AutistInnen über so außerordentliche Fähigkeiten, wie die, Primzahlen zwischen Null und einer Million auswendig zu können. Ich kenne sehr viele AutistInnen, aber nur einen, der diese Fähigkeit besitzt – Daniel Tamett. Erklärt haben möchte ich allerdings, warum Sie diese Eigenschaften pathologisch, also als krankhaft bzw. abnorm bezeichnen.
Abgesehen davon wird auch niemand eine fachärztliche Autismusdiagnose erhalten, nur weil er sich mit dem Thema Erderwärmung außergewöhnlich gut auskennt. Möglich, dass jemand glaubt, auf Grund dessen autistisch zu sein. Aber ein Glaube macht noch lange keine Diagnose. Und die wenigsten werden deshalb einen Facharzt aufsuchen, zumal die Wartezeiten für eine Diagnostik sehr lang sind.

Geistige Behinderung oder Hochbegabung

An dieser Stelle hätte ich spätestens aufhören sollen zu lesen. Leider habe ich es nicht getan. Es folgen erst einmal wieder die Klischees vom Autismus als geistige Behinderung oder in Bezug auf das Asperger-Syndrom von der Hochbegabung. Da heißt es: „dass es für manche Eltern leichter ist, zu sagen, mein Kind hat Autismus als es hat eine geistige Behinderung“. Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen Autismus und einer geistigen Behinderung. Autistische Kinder, die auch geistig behindert sind, haben eine Mehrfachbehinderung. Nicht jedes autistische Kind ist automatisch geistig behindert und von den geistig behinderten Kindern ist nur ein geringer Teil auch autistisch.
Und Menschen mit der Diagnose Asperger-Syndrom sind nicht grundsätzlich hochbegabt, obwohl das häufig so assoziiert wird. In vielen Publikationen und so weiter, so der Verfasser dieses Artikels. Was er mit „und so weiter“ meint, erfahre ich als Leserin nicht. Eine sachlich fundierte Aussage klingt anders.

Die Zahl der Diagnostizierten steigt und dennoch gibt es noch viele Nichtdiagnostizierte

Zur Erklärung, warum die Zahl der mit Autismus diagnostizierten Menschen stetig steigt, folgt die Aussage, dass auf der einen Seite vielerorts Personen, die durchaus die Diagnose haben, noch nicht erkannt werden, weil zu wenig Wissen über das Krankheitsbild da ist. Von dem Wort Krankheitsbild abgesehen wundere ich mich über diesen Satz, weil dieser doch das Gegenteil von dem vermittelt, was der Autor mit seinem Artikel sagen wollte, nämlich dass die Zahl der Autismusdiagnosen eigentlich noch viel höher sein müsste, weil es immer noch viele Nichtdiagnostizierte gibt. Außerdem bleibt er der Leserschaft schuldig, was auf der anderen Seite erfolgt.
Dafür liefert er aber ein tolles Resümee.

Autismus ist nichts weiter als eine vergleichsweise harmlose Verhaltensstörung, die sich mit der Zeit auswächst.

Hier muss ich ironisch werden, weil ich eine solche Aussage nicht ernst nehmen kann und will. Autismus wächst sich nicht aus, Herr Smiljanic. Ich weiß nicht, woher Sie diese Aussage haben. Es gibt einige Ärzte, die Eltern mit Sätzen wie diesem vertrösten wollen.
„Machen Sie sich nicht zu große Sorgen, das wächst sich aus.“
Dann stellt sich mir die Frage, warum es so viele Erwachsene mit einer Autismusdiagnose gibt. Haben die das Auswachsen verschlafen? Oder haben sie sich einfach nur geweigert?
Viele AutistInnen entwickeln im Laufe ihres Lebens Anpassungsstrategien, so dass sie auf den ersten Blick nicht auffallen. Autistisch sind sie deshalb trotzdem noch und niemand weiß, wie lange man es durchhält, sich ständig anzupassen.

Inwieweit es sich bei Autismus um eine vergleichsweise harmlose Verhaltensstörung handelt, erfahren wir in dem Artikel nicht. Ich möchte mich dazu nicht äußern, weil dieser Beitrag sonst den Rahmen sprengen würde.

Autismus und Barrierefreiheit

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„Barrierefreiheit für Autisten, das wäre cool.“

Dieses Zitat aus dem 3sat-Beitrag „Hochbegabt mit Handicap“ über die Firma Specialisterne und die Arbeitsplatzsituation von AutistInnen, der gestern Morgen gezeigt wurde, hat mich nachdenklich gemacht, obwohl meine erste Reaktion ein unbedingt zustimmendes „Au ja“ war.
Barrierefreiheit für AutistInnen, das müsste doch jetzt, wo alle von Inklusion sprechen, selbstverständlich sein. Ist es aber nicht.
Dementsprechend folgte in einer zweiten Reaktion die Frage nach dem Warum.
Barrieren gibt es schließlich genügend. Aber im Gegensatz zu anderen Behinderungen sind sie bei autistischen Menschen individuell verschieden und für Außenstehende in der Regel nicht sichtbar wie zum Beispiel eine Treppe als eindeutiges Hindernis für RollstuhlfahrerInnen sofort für alle erkennbar ist.
Wenn man bedenkt, wie schwierig häufig schon die Umsetzung der Barrierefreiheit für gehbehinderte Menschen ist und wie oft sie an finanziellen Mitteln scheitert, dann wird schnell klar, dass Barrierefreiheit für AutistInnen in vielen Bereichen nur eine Illusion bleiben wird.
Dabei wären manche Hindernisse leicht und ohne großen Kostenaufwand zu beseitigen.

Die Beseitigung von Barrieren fängt im Kopf an

Grundvoraussetzung für Barrierefreiheit ist, dass Menschen diese überhaupt wollen und dass sie sich Gedanken darüber machen, wie Barrieren beseitigt werden können – auf beiden Seiten.
Solange die Barrieren in den Köpfen der Menschen verbleiben, wird eine inklusive Gesellschaft nicht möglich sein. Leider scheint der Abbau der Kopfbarrieren ein sehr schwieriger und langwieriger Prozess zu sein. Das wird deutlich, wenn man sich ansieht, wie schleppend die Behindertenrechtskonvention umgesetzt wird.

Informationsbroschüre zur Barrierefreiheit für autistische Menschen

Der zweite Punkt ist, die Barrieren zu benennen, denen autistische Menschen im Alltag begegnen, die sie an einer Teilhabe an der Gesellschaft hindern. Da sie sehr vielfältig sind und nicht bei allen autistischen Menschen gleich, möchte ich in diesem Artikel gerne eine Liste aller möglichen Barrieren erstellen und parallel dazu Ideen zur Beseitigung dieser Barrieren sammeln. Interessierte können ihre Wünsche oder Vorschläge in Kommentaren äußern oder über das Kontaktformular per Mail. Ich werde die Liste dann hier euren Ideen entsprechend aktualisieren mit dem Ziel, eine Informationsbroschüre zur Barrierefreiheit für AutistInnen zu entwerfen, die dann über den Blog als PDF-Datei heruntergeladen werden kann.

Hier können die bisher eingegangenen Vorschläge und Ideen mitverfolgt werden:

Barrieren 
Wünsche

Programm Blogger-Themen-Tage

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Das Programm der Blogger-Themen-Tage vom 01. bis 03. März 2013 ist jetzt online. Teilnehmende BloggerInnen können dort ihren Veröffentlichungstermin entnehmen. Änderungen sind vorbehalten und werden bei Bedarf täglich aktualisiert. Die Links zu den einzelnen Blogbeiträgen werden am jeweiligen Veranstaltungstag eingefügt.
Das Programm beginnt jeden Tag um 12 Uhr und endet zwischen 20.30 Uhr und 21.30 Uhr.

Freitag 01. März 2013

Samstag 02. März 2013

Sonntag 03. März 2013

Weitere Informationen können nach wie vor dem Blog „Quergedachtes“ entnommen werden.

ZDF und Autismus – ich bin sauer

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Langsam reicht es. Erst zwei Monate ist es her, dass AutistInnen in den Medien durch den Amoklauf in Newtown zu gefühlskalten MassenmörderInnen gemacht wurden, in dem durch die Berichterstattung ein kausaler Zusammenhang hergestellt wurde zwischen Gewalttaten und dem Asperger-Syndrom. Und das, obwohl es keine fachärztliche Stellungnahme darüber gab, ob der Täter tatsächlich Autist war. Die Aussage basierte lediglich auf Mutmaßungen aus dem sozialen Umfeld des Täters. Aber diese Mutmaßungen reichten aus, um aus AutistInnen potentielle Amokläufer und Mörder zu machen.

Die Medienberichterstattung und Autismus 

Der Artikel in der Spiegel-Online-Ausgabe vom 15. Dezember 2012 mit der Schlagzeile „Asperger-Syndrom: Blind für die Emotionen anderer Menschen“ löste eine Welle von Protesten aus – vor allen Dingen aus der Reihe autistischer BloggerInnen. Viele Eltern autistischer Kinder befürchteten eine zunehmende Stigmatisierung und die Gefahr von Mobbing in der Schule.
Mein Blogbeitrag zu dem Thema „Mein Name ist Sabine und ich bin keine Massenmörderin“ hatte innerhalb von drei Tagen über 11.000 Zugriffe. Bei vielen anderen BloggerInnen, die sich über diese Form der Berichterstattung kritisch äußerten, waren das Interesse und der Zuspruch ähnlich groß. Im Verlauf der öffentlichen Diskussion gab es einige Medien, die über unseren
Protest berichteten.

Nachdem etwas Ruhe eingekehrt war, sorgte die Münchener Abendzeitung am 26. Januar diesen Jahres im Zusammenhang mit einem Mord erneut für einen Aufschrei.
Wieder wurde bei der Berichterstattung über den kaltblütige Mord an einer Frau ein kausaler Zusammenhang mit dem Asperger-Syndrom hergestellt und das nur auf Grund folgender Äußerung einer Nachbarin: „Meines Wissens war er krank. Ich glaube, er litt unter Autismus. Er ging auch auf eine Förderschule.“ Genauso stand es in dem Artikel. Lesbar für alle, dass es wieder einen Mörder gab, der autistisch war, obwohl es auch dieses Mal keine Stellungnahme eines behandelnden Arztes hierzu gab.

Stigmatisierung von Autismus im ZDF-Montagskrimi

Und nun, einen weiteren Monat später, erscheint erneut ein autistischer Mordverdächtigter in den Medien. Dieses Mal nicht in einer Zeitung, sondern im Montagskrimi des ZDF „Unter anderen Umständen: Der Mörder unter uns“. Fast scheint es, als hätte der Amoklauf in Newtown als Vorlage zu diesem Krimi gedient, in dem ein gefühlskalter Autist unter Mordverdacht steht. Die Welt hat in ihrem heutigen Artikel „Stigmatisierung von Autisten in ZDF-Krimi“ Kritik geübt an dem unsensiblen und klischeehaften Umgang mit dem Thema Autismus in dem Krimi und Herr Nolte, der Fachreferent von autismus Deutschland e.V. hat angekündigt, sich beim Sender zu beschweren, da sich „das ZDF, als öffentlich-rechtlicher Sender, einer besonderen Sorgfaltspflicht und natürlich auch einer dementsprechend größeren Verantwortung bewusst sein sollte.“

Bleibt zu hoffen, dass die Beschwerde Erfolgt hat und sich endlich etwas ändert in den Köpfen der Verantwortlichen. Ich werde auf jeden Fall so lange hier in diesem Blog auf diese Missstände aufmerksam machen, bis die Medien sich dem Thema Autismus in adäquater Form widmen und – das wäre mein größer Wunsch – uns mit einbeziehen in ihre Berichterstattung und nicht nur wie bisher, auf der Basis oberflächlicher Recherchen über uns und das Thema Autismus schreiben.

Für heute bleibt mir nur an die Verantwortlichen des ZDF zu schreiben, dass ich sauer bin und enttäuscht und dass AutistInnen keine gefühlskalten GewalttäterInnen  und potentielle MörderInnen sind.

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Update

Auch die Neue Presse hat in einem Artikel die klischeehafte und mit Gewalt und Mord in Zusammenhang bringende Darstellung von Autismus in dem ZDF-Montagskrimi kritisiert.
Stigmatisierung von Autismus in ZDF-Krimi

Persönliche Anmerkung auf Grund einiger Nachfragen:

Für den Verlauf des Krimis war die Rolles des Autisten völlig irrelevant. Warum musste demnach das Thema Autismus überhaupt angesprochen werden und dann in der Weise, dass man sich in den wenigen Szenen, in dener der junge Asperger-Autists gezeigt wurde, sämtlicher Klischees bediente und damit ein Bild schaffte, welches ziemlich befremdlich war und sicher nicht hilft, Vorurteile abzubauen. Vorurteile, die in den letzten Monaten durch die Medienberichterstattung bereits entstanden sind und möglicherweise lange in den Köpfen der Menschen haften bleiben. Geraden dann, wenn das Bild vom gewaltbereiten Autisten immer und immer wieder gezeigt wird.
Der Krimi wäre auf jeden Fall ohne dieses Bild ausgekommen. Und da stellt sich mir die Frage nach dem Warum.