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Selbstgespräche nehmen in meinem Leben seit der Kindheit einen wichtigen Platz ein.
Sie dienen sowohl der Informationsverarbeitung als auch der intensiven Vorbereitung von Gesprächen, die darin besteht, Antworten oder Reaktionen auf eine mögliche Fragestellung im voraus detailliert zu erarbeiten und gedanklich festzuhalten, um ein Gespräch und dessen Verlauf bzw. Ausgang vorhersehbarer zu machen und damit besser kontrollieren zu können.
Zusätzlich übernehmen sie die Funktion, Emotionen zu regulieren, in dem ich diese unmittelbar über die Kommunikation kognitiv erfassen und parallel dazu die innere Anspannung abbauen kann. Im Selbstgespräch gelingt es mir, mich mit meinen Ängsten auseinanderzusetzen und mich durch das wiederholte und häufig monoton klingende Aufsagen von Sätzen wie: „Du brauchst keine Angst zu haben“ selber zu beruhigen.
Auf diese Weise ist das Selbstgespräch für mich schon ganz früh zu einem beruhigenden Verhaltensritual und daraus resultierend zu einem festen Bestandteil meines Alltags geworden.

Ich erinnere mich daran, dass ich als Kind häufig stundenlang alleine im Kinderzimmer gesessen und Selbstgespräche geführt habe, um mir Dinge begreiflich zu machen, die mir fremd waren und vor denen ich mich fürchtete.
Diese Form der Kommunikation gab mir aufgrund der Vorhersehbarkeit jedes Wortes die Sicherheit, die mir im Gespräch mit anderen Menschen fehlte und sie erlaubte mir, den Gesprächsverlauf vom ersten bis zum letzten Wort zu kontrollieren.
Es gab weder spontanen Fragen, die ich nicht beantworten konnte, noch nonverbale, soziale Signale im zwischenmenschlichen Kontext, die ich nicht zu interpretieren vermochte.

Später eignete ich mir so eine Reihe von Mustergesprächen für verschiedene Begebenheiten (das erste Rendezvous, Vorstellungsgespräch etc.) an, deren starres Konzept sich allerdings in der praktischen Umsetzung aufgrund unvorhergesehener Änderungen im Gesprächsverlauf häufig nicht oder nur begrenzt umsetzen ließ. Da reichte eine nicht eingeplante Äußerung der GesprächspartnerInnen, um mich völlig aus dem Konzept zu bringen.

Das mag auch eine Erklärung dafür sein, warum mir Vorträge, welche einem Monolog ähnlich sind, sowohl in ihrer Planung als auch in der Durchführung leichter fallen als Gespräche oder Diskussionen, deren Inhalt und Verlauf ich nur bedingt kontrollieren kann, egal, wie oft ich sie im Vorfeld im Selbstgespräch geübt und anschließend in meinem Kopf abgespeichert habe, um sie in der entsprechenden Situation abrufen zu können. Was immer bleibt, ist die Unberechenbarkeit der GesprächspartnerInnen.

Neben der Funktion, bevorstehende Gespräche zu üben und mich mit der Beantwortung möglicher Fragen auseinander zu setzen, übernimmt das Selbstgespräch aber auch – wie bereits weiter oben angesprochen – die Aufgabe, Gefühle zu regulieren und Ängste abzubauen.
Durch die Verbalisierung werde ich mir nicht nur meiner eigenen Gefühle bewusst, sondern versuche auch, die Gefühle anderer Menschen zu analysieren und mir über den Verstand begreiflich zu machen, da mir die Fähigkeit fehlt, diese zu spüren und intuitiv zu erfassen.
Ein Dialog mit mir selbst ist immer strukturiert und lösungsorientiert.
Die Auseinandersetzung mit den Gefühlen anderer ist im Hinblick auf mögliche Ergebnisse, also der Erkennung, allerdings sehr eingeschränkt, da ich mich nicht in andere Menschen hineinversetzen kann und folglich nur auf das eigene Erleben zurückgreifen kann. Häufig fehlt mir aber auch hier das Wissen darüber, wie sich etwas überhaupt anfühlt.

Wie beschreibt man ein Gefühl, wenn einem nur die Logik und nicht die Intuition zur Verfügung steht? Das Selbstgespräch dient mir hier als wichtiges Hilfsmittel zur möglichen rationalen und schlussfolgernden Erfassung von Emotionen. Doch je komplexer ein Gefühl ist, desto schwieriger wird es für mich sein, dieses in seiner Komplexität analysieren und begreifen zu können.

Ähnlich wie im Umgang mit den Gefühlen, versuche ich mir auch meine Ängste im Selbstgespräch begreiflich zu machen und auf diese Weise Situationen aushalten zu können, die mir Angst machen, wie Arztbesuche, Prüfungen oder bestimmte Gespräche (mit Behörden, Lehrern usw.).
Aber neben der kognitiven Auseinandersetzung mit den Angst auslösenden Faktoren, versuche ich mich auch durch wiederholende, in einer monotonen Melodie vor mich hin gesprochenen Sätze zu beruhigen. Diese werden häufig von Bewegungsstereotypien begleitet und fallen dadurch im besonderen Maße auf. In der Konsequenz versuche ich dieses Verhalten in der Öffentlichkeit zu vermeiden, was aber – je nach Situation – nicht immer möglich und im Kreis der Menschen, die wissen, dass ich Asperger-Autistin bin, nicht zwingend erforderlich ist.

Glücklicherweise fallen Menschen, die mit sich selber sprechen, im Zeitalter des Mobilfunks in der Öffentlichkeit nicht mehr so schnell auf.
Kaum jemand dreht sich heute noch nach einem Menschen um, der leise vor sich hin murmelt oder sich ohne sichtbaren Gesprächspartner, angeregt unterhält.
Ich empfinde das als große Erleichterung, weil für mich ein Tagesablauf ohne Selbstgespräche nahezu undenkbar ist und ich mich noch sehr genau an die permanente Anspannung in meiner Teenagerzeit erinnern kann, wo es mir äußerst wichtig war, dass niemand anhand auffälliger Verhaltensweisen – und dazu gehörten Selbstgespräche – von meinem Anderssein erfahren würde, für das es damals keine Erklärung gab.