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Diese Frage habe ich mir schon sehr häufig gestellt, weil ich immer wieder damit konfrontiert werde, dass sich das Bild, welches ich mir von der Liebe mache in wesentlichen Teilen von der Vorstellung meiner Mitmenschen unterscheidet.
Das hat in der Vergangenheit oft zu Missverständnissen geführt, da ich – ohne es zu wissen – bestimmte Erwartungen der Partner nicht erfüllt und diese dadurch unbeabsichtigt verletzt oder enttäuscht habe.

Schon im Teenageralter waren mir die ständigen Annäherungsversuche der Jungen und deren Drang nach körperlicher Nähe suspekt.
Meinem Empfinden nach hatte es nichts mit Liebe zu tun, wenn mich jemand permanent berühren oder küssen wollte und dann mit Unverständnis reagierte, wenn ich mich gegen diese Form der Nähe wehrte, in dem ich mich dieser entzog.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass mein erster Freund (falls man in dem Zusammenhang überhaupt von einer Freundschaft sprechen konnte) immer beleidigt war, wenn ich ihn aufgrund seiner aufdringlichen Versuche, mich zu küssen, wegschob, Dann warf er mir vor, dass ich ihn nicht „lieben“ würde, weil ich so abweisend sei.
Definierte sich Verliebtsein nur durch ein permanentes Verlangen nach körperlicher Nähe, dann musste ich seiner Vermutung zustimmen, da mir dieses Verlangen völlig fehlte.
In diesem Fall führte es dazu, dass ich mich nach einer Woche ganz zurückzog und dem jungen Mann aus dem Weg ging.
Später erfuhr ich, dass er vor seinen Freunden sogar damit geprahlt habe, mich sicher bald rumzukriegen, wenn er nur beharrlich genug vorginge. Was das zu bedeuten hatte, verstand ich damals nicht. Aber aus Angst davor, dass mich jemand erneut rumkriegen wollte, wurde ich eine lang Zeit sehr abweisend, sobald mich ein junger Mann ansprach.
Partnerschaften unter dieser Voraussetzung waren für mich inakzeptabel. Wenn ein Zusammensein nur daraus bestand, mich gegen Dinge wehren zu müssen, die mir nicht gefielen oder mir sogar Angst machten, dann wollte ich zukünftig lieber darauf verzichten und alleine bleiben.

Rückblickend wird mir deutlich, dass meine Vorstellung von einer Beziehung oder Partnerschaft eine sehr naive und bisweilen kindliche war.
Bis heute hat sich daran allerdings im Wesentlichen nicht viel geändert.

In dem Zusammenhang fällt mir eine Situation ein, die für mich sehr unangenehm hätte ausgehen können.
Ich hatte einen jungen Mann kennengelernt, mich mit ihm getroffen und lange unterhalten.
Auf dem Weg nach Hause, fragte er mich im Auto, ob ich noch mit zu ihm auf eine Tasse Kaffee käme. Ich willigte ein, in der Annahme, dass wir uns in seiner Wohnung weiterhin unterhalten und eine Tasse Kaffee zusammen trinken würden.
Dass er etwas ganz anderes wollte, war mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst. Ich hatte ihn beim Wort genommen und war erschrocken, als er sich mir ziemlich aufdringlich näherte, statt mir einen Kaffee anzubieten. Als ich mich wehrte und schrie, ließ er mich los und beschimpfte mich als dumme Kuh. Ich rannte aus seiner Wohnung und war enttäuscht.
Wieso hatte er sich nicht an sein Wort gehalten?
Erst im Gespräch mit einer Freundin erfuhr ich, dass eine Person zu einer Tasse Kaffee in die Wohnung einzuladen im übertragenen Sinne bedeutet, mit ihr schlafen zu wollen.
Woher hätte ich das wissen sollen, wo ich Worte grundsätzlich wortwörtlich interpretierte.
Dieser Vorfall machte mir aber auch deutlich, wie wenig ich von Beziehungen und zwischenmenschlichen Kontakten verstand. Ich war zu gutgläubig und hätte mich damit in Gefahr bringen können.

Doch jetzt möchte ich wieder zu der Frage nach der Bedeutung der drei Worte „Ich liebe dich“ zurückkehren.

Liebe definiert sich für mich in erster Linie in der Erfüllung elementarer Bedürfnisse wie Geborgenheit, Zuverlässigkeit und Sicherheit. Es ist mir wichtig, dass ich mich auf einen Menschen verlassen kann, weil es Situationen gibt, in denen ich die Unterstützung einer mir vertrauten und nahestehenden Person brauche und auf ihre Hilfe angewiesen bin.
Zudem sind Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit für mich Grundvoraussetzungen für eine Partnerschaft. Ich möchte offen sagen können, was ich denke und fühle. Das wünsche ich mir auch von einem Partner, weil ich seine Gefühle nur so erkennen kann. Körpersprache und Gesten sind für mich auch heute noch unverständlich oder werden von mir in vielen Fällen gar nicht erst als möglicher Ausdruck von Gefühlen wahrgenommen.
So erzählte mir ein ehemaliger Partner, er habe sich ständig bemüht, mir seine Zuneigung zu zeigen, aber ich hätte darauf überhaupt nicht reagiert. Er sei am Ende daran verzweifelt, dass ich seine Bemühungen ignoriert und seine Gefühle nicht wahrgenommen habe.
Erst jetzt, mit dem Wissen, dass ich Autistin bin, sei ihm mein Verhalten rückblickend verständlich geworden.

Was ich nie verstanden habe, ist das Balzverhalten, welches umgangssprachlich als Anmache bezeichnet wird. Diese Form der Kommunikation ist mir befremdlich. Da benehmen sich Menschen plötzlich in einer Art und Weise, die ich sehr merkwürdig finde und nicht so, dass sie dadurch meine Sympathie gewinnen könnten. Oft erschließt sich mir nicht einmal der Inhalt dessen, was im Verlauf einer solchen Anmache gesagt wird, geschweige denn, dass ich in der Lage wäre, adäquat zu reagieren bzw. überhaupt reagieren zu wollen.
Der Austausch derartiger Belanglosigkeiten, wie sie bei der Anmache üblich sind, überfordert mich, so dass ich mich zurückziehe oder aus der Unfähigkeit heraus, mich auf diese Form der Kommunikation einzulassen, schweige.
Resultierend hieraus ergibt sich für mich, dass eine Beziehung häufig bereits an der Problematik der Kontaktaufnahme gescheitert ist.

Ich habe mich entschieden, ein Leben ohne Partnerschaft zu führen.
Aber alleine zu sein heißt nicht, dass ich einsam bin.
Die Liebe zu meinem Sohn ist mein größtes Geschenk. Denn diese Liebe ist eine Liebe, die ich begreifen kann.